Raúl reißt’s raus

05. Dez. 2011 | 10 Kommentare

Erst ging alles ganz spielerisch leicht, dann kam der Bruch und am Ende wurde es zwar kein glanzvoller aber dennoch verdienter Sieg. Schalkes 3:1 gegen den FC Augsburg wirkte fast wie eine Zusammenfassung weiter Teile der Hinrunde, bei der der Regisseur an jedes Detail gedacht hatte. Inklusive eines aus dem Nichts treffenden Huntelaar, eines wie immer unterirdisch schlechten Jurado und eines alles überstrahlenden Raúl. Der Señor machte gestern den Unterschied. Als ganz Schalke in eine Schockstarre verfallen war, tauchte er an allen Ecken und Enden auf und hielt im Alleingang das kleine Fähnchen der Spielkultur hoch. Als Holtby und Jurado im Mittelfeld dilettierten, spielte Raúl die wichtigen Pässe. Als die zusammengewürfelte Abwehr ins Schwimmen geriet, half er hinten aus. Als Pukki und Huntelaar sich kaputtgerannt hatten, schlug er zu und köpfte das entscheidende 3:1. Ohne Raúl wäre es ein ganz bitterer Abend geworden. Mit ihm sind nun schon wieder drei Punkte im Sack, die in der Endabrechnung genau so viel wert sind, wie Siege gegen die Top-Teams der Liga.

Wäre Augsburg kurz nach der Pause nicht der überraschende Ausgleich gelungen, würden die Zeitungen heute von einem souveränen und nie gefährdeten Sieg schreiben. Schalke kontrollierte den extrem tief stehenden Aufsteiger in den ersten 45 Minuten nach Belieben und spielte sich flott bis zum gegnerischen Strafraum durch. Doch am 16-Meter-Raum war dann zumeist Schluss und weil sich bei Königsblau auch niemand ein Herz fasste und den Abschluss aus der Distanz suchte, hatte Mo Amsif im Augsburger Kasten trotz drückender Schalker Überlegenheit grotesk wenig zu tun. Beim 1:0 durch Huntelaar war der ehemalige Schalker Keeper dann machtlos.

Dass eine 1:0-Pausenführung keine sichere Bank ist, musste Schalkes neu zusammengestellte Defensive zwei Minuten nach dem Wiederanpfiff erleben. Irgendwie kam der Ball in den Schalker Strafraum, irgendwie pennten alles Defensivspieler, irgendwie kam Mölders frei vor Unnerstall zum Abschluss und markierte das 1:1. Danach war es um Schalkes Herrlichkeit geschehen und es brauchte ein paar Minuten sowie die One-Man-Show von Raúl, bis die Königsblauen sich wieder fanden. Doch trotz zum Teil guter Chancen durch Pukki, Holtby, Moritz und Huntelaar war es erst ein „ganz krummer“ Distanzschuss von Fuchs, der Schalke wieder in Front brachte. Danach nahm Augsburg zum ersten Mal überhaupt am Spiel Teil, öffnete die Räume und wurde anfälliger für Schalker Gegenstöße. Dass dennoch ein Eckball herhalten musste, damit Raúl die letzten Zweifel beseitigen konnte, steht sinnbildlich für einen weitestgehend gebrauchten Tag, den die Knappen gestern hatten.

Neben Raúl wusste auf Schalker Seite der agile Fuchs zu gefallen. Christoph Metzelder, der für den gelb gesperrten Kyriakos Papadopoulos in die Startelf gerutscht war, machte seine Sache im Zusammenspiel mit Joel Matip ordentlich. Teemu Pukki hatte sich nach einer Stunde sichtbar leer gerannt und wurde zu Recht durch Draxler ersetzt. Absolut nicht nachvollziehbar war, dass Jurado bis in die Schlussphase auf dem Feld stehen durfte, wobei „stehen“ durchaus wörtlich gemeint ist. Die (Nicht-)Leistung des Spaniers war eine Frechheit. Im Alleingang nahm er den Schwung aus einigen viel versprechenden Offensivszenen, spielte fahrige Pässe und hatte spätestens in der zweiten Halbzeit überhaupt keine Lust mehr zu laufen.

Ein erfreuliches Bundesliga-Comeback feierte Christoph Moritz. Fast ein Jahr lang musste er zusehen, wenn die Mannschaftskameraden in der Liga um Punkte kämpften. Dass er nun wieder zur Verfügung steht und seine lange Leidenszeit überstanden hat, ist für mich neben dem Dreier die positive Nachricht des Tages.

Abgelegt unter Schalke

10 Kommentare zu “Raúl reißt’s raus”

  1. sldam 5. Dezember 2011 um 13:16 1

    So sehr ich sonst mit deinem Beitrag einverstanden bin – die Härte mit der du Jurados Leistung kritisierst kann ich nicht nachvollziehen.
    Ich fand seine Leistung gestern weder gut noch schlecht, schlicht und ergreifend durchschnittlich. Er hat besonders in der ersten Halbzeit versucht unserem Spiel so etwas wie Struktur zu verleihen, hatte viele Ballkontakte und einige gute Pässe.
    Dass er in der zweiten Hälfte das Tempo aus vielen Angriffen genommen hat ist sicherlich richtig, ich sehe das aber nicht so kritisch wie du. Gerade in der Phase zwischen dem zweiten und dritten Tor haben wir viele überhastete Fehlpässe gespielt und Augsburg den Ballbesitz geschenkt. Jurado hat versucht den Ball in den eigenen Reihen zu halten und das Spiel zu beruhigen. Das war nicht immer die richtige Entscheidung, aber auch nicht immer verkehrt.
    Dass er zu wenig gelaufen wäre war überhaupt nicht mein Eindruck. Ich fand ihn größtenteils sehr beweglich und für seine Verhältnisse sogar recht engagiert in der Rückwärtsbewegung. Schade, dass es zu dem Spiel keine Tracking-Daten gibt.
    Die Szene aufgrund der du ihm keine Lust zu laufen unterstellst war wohl der Konter über Raul 10 Minuten vor Schluss, bei dem er einfach nebenher trabt. Natürlich war das Mist. Trotzdem finde ich sollte man mit Worten wie Nichtleistung und Frechheit im Bezug auf eigene Spieler vorsichtiger sein.

  2. derwahrebaresiam 5. Dezember 2011 um 13:26 2

    @10 Minuten vor Schluss

    ich glaube, da war er bereits platt.

  3. Matthiasam 5. Dezember 2011 um 14:35 3

    sld, ich gebe dir Recht: Sicherlich ist meine Kritik etwas härter formuliert, als man es sonst hier gewohnt ist. Vielleicht hätte ich es in Arbeitgeber-Zeugnissprache mit einem „war stets sehr bemüht“ abhandeln sollen. Allerdings liegst du falsch, wenn du mir unterstellst, ich bezöge den Anlass für diese Kritik aus der zweiten Halbzeit. Bereits im ersten Durchgang ärgerte ich mich maßlos darüber, dass Jurado aus jedem flotten Angriff das Tempo nahm, dass er sich in unnötige Dribblings verzettelte, dass er einen Jiri-Nemec-Gedächtniskringel nach dem anderen drehte. Deshalb twitterte ich bereits in der 40. Minute: „Der. Jurado. ist. im. Kopf. so. unglaublich. langsam.“

    Es ist nicht so, dass ich mir einen schwachen Jurado wünsche, um mich in meiner sich nun bereits verfestigenden Meinung bestätigt zu sehen. Ich brauche auch keinen Sündenbock im Schalker Team. Ich bin allerdings auch nicht bereit, bei Jurado Sondermaßstäbe anzulegen. Wenn ein über 11 Monate nahezu dauerhaft verletzter Christoph Moritz aus dem Stand eine bessere, mannschaftsdienlichere und engagiertere Leistung abliefert als Jurado, bin ich nicht bereit, die eine schöne Situation alle 10 Spiele mal in den höchsten Tönen zu loben. Jurado muss irgendwann mal damit anfangen, konstant Leistungen abzuliefern – dann verzeihe ich ihm gerne auch mal einen durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Tag. Jedoch ist ein durchschnittlicher Tag bei ihm seit mehr als einem Jahr schon das höchste der Gefühle. Das ist zu wenig.

  4. Diosam 5. Dezember 2011 um 16:59 4

    sry aber in dem kommentar setzt du genau die von dir genannten „Sondermaßstäbe “ an. Von einem Jurado ist dir ein durchscnittlicher Tag wie gestern zu wenig, warum bei ihm? Weil magath so bescheuert war und für ihn so viel Geld bezahlt hat? Oder weil er die Frechheit hatte einen zu gut dotierten Vertrag zu unterschreiben? Es ist klar, dass er daran gemessen wird jedoch hat er die Ablöse nicht bezahlt und er kann nun mal nichts dafür dass wir viel zu viel für ihn hingelegt haben. Ich fand seine Leistung gestern ordentlich in HZ 1 und mäßig in HZ 2, wo allerdings unser gesamtes Mittelfeld eine dürftige Leistung zeigte. Und das Moritz gestern wirklich besser war sehe ich persönlich anders. Wenn man die kritischen „Sondermaßstäbe“ bei Moritz anlegt fällt auf, dass er gerade beim Gegentor völlig unnötigerweise die Mitte offen lässt obwohl er doch sieht, dass Matip rausrückt, wenig später lässt eine Riesenchance liegen lässt und danach noch einen Freistoß an unserer Strafraumkante verursacht …
    „Sondermaßstäbe“ gibt es auf Schalke leider bei fast jedem im Team. Bei Pukki z.B. zu unkritisch, bei Jurado oder Matip dafür umso kritischer…

  5. Matthiasam 5. Dezember 2011 um 17:23 5

    Da ich direkt angesprochen wurde, antworte ich nochmal direkt:

    Von einem Jurado ist dir ein durchschnittlicher Tag wie gestern zu wenig

    Wenn es denn ein durchschnittlicher Tag gewesen wäre, hätte ich Nichts Negatives über ihn geschrieben. Ich habe aber bei Jurado gestern keine durchschnittliche Leistung gesehen. Ich sah einen uninspirierten, das Spiel verschleppenden Akteur. Ich lege keine Sondermaßstäbe bei ihm an. Die neutrale Berichterstattung (die, die nicht von der Angst geprägt ist, als fieser Nestbeschmutzer oder Spieler-Heruntermacher gegeißelt zu werden, nur weil man einem Spieler eine seiner Leistung angemessene Beurteilung verpasst) sieht es da ganz ähnlich wie ich. Ich gebe nicht allzu viel auf Spielernoten, insbesondere nicht, wenn sie auf Nachkommastellen exakt daherkommen wollen. Jedoch war Jurado sowohl für den „kicker“ als auch für „Reviersport“ jeweils der schlechteste Schalker auf dem Feld.

    Wir können gerne darüber diskutieren, ob Jurado gestern vielleicht doch nicht so schlecht war, wie ich ihn erlebte. Ob es eine besondere spielerische Finesse war, in der ersten Halbzeit bei nahezu jedem Ballkontakt stehen zu bleiben und abzuwarten, ob sich vielleicht ein Gegenspieler zum Dribbling anbietet. Ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren, denn ich habe zwar schon sehr vieles mit Löffeln gefressen – nur eben noch keine Weisheit. Worüber wir aber definitiv nicht diskutieren können ist, dass ich bei ihm die Messlatte höher hänge als bei anderen Akteuren, denn das tue ich nicht und ich kann auch nicht verstehen, warum mir das von dir in den Mund gelegt wird.

    Und dass du mich in deinem letzten Satz in eine Kiste mit den Matip-Nöhlern wirfst, nehme ich dir fast schon übel.

  6. Diosam 5. Dezember 2011 um 19:11 6

    Für mich war es gestern ein durchschnittliches Spiel von Jurado und daher finde ich den Umgang mit seiner Leistung etwas zu kritisch. Auf Noten insbesondere vom „Fachblatt“ Reviersport gebe ich genauso wenig wie du, denn wenn ich die Spiele sehe brauche ich keine Zeitung, welche zum Teil (bei Kicker vllt weniger aber gerade derwesten / reviersport) mit willkürliche Noten um sich wirft … „uninspiriert“ und „verschleppend“ wirkte er für mich in HZ 1 nicht. Und in HZ 2 haben sich auch viele andere Spieler (Holtby?) diese oder andere negative Attribute verdient, darüber verliert aber niemand ein Wort. Daher ensteht ein für mich der (subjektive) Eindruck einer „Sonderbehandlung“ nicht nur von dir. Erinnert mich ein wenig an die Frage ob es prominte Straftäter leichter vor Gericht haben, oder besonders schwer, weil genau der Eindruck erst recht nicht entstehen darf, aber auch an der Frage scheiden sich die Geister …

    Das du mir vorwirst dich „in eine Kiste mit den Matip-Nöhlern“ zu werfen kann ich allerdings nicht ganz nachvollziehen, nehme es dir aber nicht übel. Ich schrieb explizit „Auf Schalke“ und nicht „bei dir “ und wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass mich das Auspfeifen von Jurado gestern / meckern über jeden kleinen Fehler Matips genauso stört, wie das teilweise unverhältnismäßige Abfeiern von Pukki oder Papadapoulos (der mindestens genauso viele Fehlpässe spielt) …

  7. derwahrebaresiam 5. Dezember 2011 um 20:29 7

    @fussballgott

    richtig, pukki o. papa sind auch nicht fehlerfrei.
    sie zeigen aber 1904% einsatzwillen.
    bei jurado habe ich da so meine zweifel …

  8. Diosam 5. Dezember 2011 um 20:48 8

    Gutes Argument, welches bei Jurado in der Tat schon mehrfach nicht der Fall gewesen ist (ich sag nur Larnaka), gestern fand ich es aber nicht.vllt ärgert es mich deshalb auch, dass er gestern so schlecht wegkommen ist bzw. sogar bei Ballbesitz ausgepfiffen wurde … sei’s drum, abwarten wie es Freitag bei der Hertha aussehen wird …

  9. holzboy2008am 7. Dezember 2011 um 11:58 9

    Ablöse u.Gehalt stehen in keinster Weise zu seiner Leistung .Ein richtig gutes Spiel gegen Mailand,stehen weiß nicht ? gefühlte Spiele gegenüber.Es kommt im Winter (wenn jemand will,was ich nicht Glaube)aber spätestens im Sommer zur Trennung.(mit erheblichen einbußen bei der Ablöse.Der Mann versteht uns nicht u.die Mehrzahl der Fans ihn nicht.(Genie?).

    glück auf

  10. Matthiasam 7. Dezember 2011 um 12:46 10

    Wobei ich allerdings auch der Ansicht bin, dass ein Spieler nichts für die für ihn gezahlte Ablösesumme kann. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch nicht, dass ihn das gänzlich aus jeder Verantwortung entlässt.

    Wenn ich Küchenhelfer in einem Nobelrestaurant bin, muss ich auch zumindest ordentliche Arbeit abliefern und kann nicht sagen: „Ist mir doch egal, wenn die Leute hier 250 Euro für ein Abendessen bezahlen.“ Ich bekomme nur 1000 Euro netto raus und deshalb wasche ich mir nicht die Hände, trage keinen Haarschutz und zupfe den Salat nicht ordentlich.

    Kurzum: Ich erwarte von Jurado nicht, dass er in jedem Spiel Fünf-Sterne-Küche abliefert. Aber gesundes Betriebskantinen-Niveau, wie es andere weitaus weniger begabte Spieler im Schalker Kader in nahezu jedem Spiel hinbekommen, muss es schon sein.