Das sah doch schon nach Fußball aus

17. Aug. 2009 | 6 Kommentare

Vor ein paar Monaten schimpfte ein bis dato regelmäßiger Leser und Kommentator dieser Seite, dass ich alles viel zu negativ sähe, ich deshalb kein Schalker sein könne und er seine Abscheu dadurch zum Ausdruck bringen werde, dass er diesem Blog nie wieder einen Besuch abstatte. Was er dann wohl auch tat, zumindest kommentierte er seitdem nicht mehr. Das nenne ich konsequent. Dass ich allerdings in den letzten Jahren mehr Negatives als Positives zu berichten hatte, lag nicht etwa daran, dass ich etwas madig machen wollte, sondern daran, dass es madig war. Auch nach dem gestrigen Heimspiel gegen Bochum bin ich nicht bereit, sämtliche Skepsis mit einem Schlag abzulegen und Schalke in höheren Sphären zu wähnen. Aber dennoch stelle ich gerne und mir großer Freude fest: Das was die Mannschaft da gestern auf dem Rasen zeigte, sah verdammt noch mal gewaltig nach Fußball aus! Schalke spielte über 90 Minuten hinweg zielstrebig, konsequent, konzentriert und belohnte sich für eine gute Leistung mit dem 3:0 gegen völlig überforderte Bochumer, die nicht nur aufgrund ihrer gewöhnungsbedürftigen Trikotfarbe wirkten wie ein Haufen Erstklässler auf dem Weg zur Pyjama-Party. Wenn das was knapp 62.000 Zuschauer in der Arena gestern sahen, in der Tat die “Handschrift des neuen Trainers” war, dann freue ich mich nach seinen ersten Schriftproben schon auf den ersten richtigen Fachaufsatz.

Auch in der vergangenen Saison konnte Schalke Spiele deutlich gewinnen. Am 28. Spieltag gab es ein 4:0 gegen Cottbus, am 10. Spieltag siegte man souverän mit 3:0 in Karlsruhe und zum Saisonauftakt gab es gegen Hannover ebenfalls ein 3:0. Wie wir heute wissen, waren diese Ergebnisse jedoch nur “Ausrutscher nach oben”. Das gestrige Spiel hingegen hatte da mehr Substanz. Schalke erspielte sich sämtliche Treffer. Überhaupt ist es mehr als erstaunlich, dass von den bislang fünf Toren, die den Blauen gelangen, noch kein einziges aus einer Standardsituation heraus fallen musste. Nicht dass wir uns hier falsch verstehen: Ich habe nichts gegen einen Treffer aus einem Freistoß oder einem Eckball, doch wenn – wie gestern – der Ball vor dem Torerfolg nicht ruht, sondern flott über mehrere Stationen gespielt wird, dann lacht mein Herz.

Beispiel 1:0: Kuranyi erobert im Mittelfeld den Ball und leitet den schnellen Angriff ein. Rakitic marschiert über den linken Flügel, passt den Ball in die Mitte zum mitgelaufenen Farfán, der spitzelt hart von einem Bochumer Abwehrspieler bedrängt weiter und findet Christoph Moritz, der aus 15 Metern völlig frei zum 1:0 einschießen kann. Ein Angriffszug wie gemalt, bei dem deutlich zu erkennen war, dass das Ziel der Abschluss sein sollte. Genau so beim 2:0: Wieder geht alles ganz schnell. Farfán hatte sich auf der rechten Seite durchgesetzt und auf Raktitic abgelegt, der leitet trocken weiter und findet Westermann, dem mit dem Pausenpfiff der zweite Treffer gelingt. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen zelebrierte Schalke auch das entscheidende 3:0 nach 76 Minuten als Konter vom Reißbrett. Der Balleroberung von Farfán folgt ein schneller Flankenlauf von Kuranyi und dessen mustergültiger Pass in den Strafraum, wo Levan Kenia zwar einen Schritt zu spät kommt, in dessen Rücken aber Farfán aus spitzem Winkel einschieben kann. Genau so stelle ich mir Fußball vor!

Schalke hatte vor uns nach den Treffern noch die eine oder andere Möglichkeit, das Ergebnis deutlich höher ausfallen zu lassen. Selbst nach dem 2:0 und später auch nach dem 3:0 spielte die Mannschaft weiter konsequent nach vorne und suchte ihre Chancen. Sinnbildlich für den neuen Einsatzwillen war eine Szene kurz vor dem Abpfiff. Da setzte der in der Halbzeit für Rakitic eingewechselte Levan Kenia einem deutlich zu langen Ball so vehement nach, dass Bochums Keeper Heerwagen nichts anderes übrig blieb, als die Kugel auf die Tribüne zu dreschen. Wohlgemerkt – da stand es schon 3:0 und der Drops war längst gelutscht!

Vor dem 1. Spieltag formulierte ich mein persönliches Saisonziel mit “Schalke soll wieder Spaß machen”. Gestern hat Schalke Spaß gemacht. Eindeutig! Daran gibt es nichts zu rütteln. Es wird auch sicherlich wieder der eine oder andere Ausrutscher kommen und man darf nicht davon ausgehen, dass Schalke bis zum letzten Spieltag weiter in der Tabelle vorne weg marschieren wird. Aber seit gestern weiß man, dass dieses Team Substanz besitzt, die heraus gekitzelt werden möchte.

Mehr zum Spiel schreibt der “kicker”. Bewegte Bilder gibt es im Videoarchiv auf bundesliga.de.

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6 Kommentare zu “Das sah doch schon nach Fußball aus”

  1. Herr Wielandam 17. August 2009 um 12:11 1

    Levan Kenia einem deutlich zu langen Ball so vehement nach, dass Bochums Keeper Heerwagen nichts anderes übrig blieb, als die Kugel auf die Tribüne zu dreschen. Wohlgemerkt – da stand es schon 3:0 und der Drops war längst gelutscht!

    Ich sehe, diese Szene hat nicht nur mich beeindruckt 😉

  2. heinz03am 17. August 2009 um 13:43 2

    Ja, die mannschaft kann was.
    eine gute mischung, einsatz und laufbereitschaft stimmten.
    endlich können wir die slomka-rutten-müller-büskens zeit
    vergessen und nach vorn schauen. auch wenn der ein oder andere
    ausrutscher kommen wird.
    farfan war einfach klasse, gestern.

  3. Matthiasam 17. August 2009 um 13:52 3

    @Herr Wieland: In der Tat! Die Szene war gestern auch eine der meist diskutierten in der „Dritten Halbzeit“ (=Rückfahrt) bei uns im Fanbus. Sie steht für mich wirklich sinnbildlich für dieses „neue Schalke“, in das wir gestern hineinschnuppern durften. Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die die größte Hoffnung wecken. Denn natürlich wird es jetzt nicht so reibungslos weitergehen. Aber es ist schon gut zu sehen, dass das Team zumindest das kleine 1:1 des Fußballs schon mal verinnerlicht hat: Nur wer den Gegner unter Druck setzt, kann letztendlich von dessen Fehlern profitieren.

  4. tumulderam 17. August 2009 um 14:49 4

    Mir hat es auch sehr viel Spaß bereitet. Schalke hat endlich wieder mal eine deutlich unterlegene Mannschaft souverän beherrscht. Anders kann ich gerade die zweite Halbzeit nicht in einen Satz unterbringen. Keine Frage, Magath arbeitet bisher sehr gut.

  5. matthiaßam 20. August 2009 um 08:11 5

    Die Leistung stimmt, die Stimmung ist prächtig. Der Spaß ist zurück. Und mit Felix Magath gibt es viel Hoffnung, dass das so bleibt; auch wenn mal ein Spiel verpfiffen wird, oder es mal nicht ganz reichen sollte…
    …GLÜCK AUF, der Steiger ist da!

  6. Flugam 2. September 2009 um 17:26 6

    ja die leistung war hervorragend, aber war ja auch noch kein richtiger gegner. und die saison ist noch jung, ich glaube schalke wird sich auf jeden fall in der saison noch weiter steigern.