DVD-Rezension: „Hauptsache Fußball“
Wie wird man Fußballprofi? Dass es nicht allein ausreicht, gut vor den Ball zu treten bzw. diesen von der Torlinie fischen zu können, dürfte klar sein. Viele Faktoren beeinflussen den Werdegang eines jungen Fußballers. „Hauptsache Fußball – Junge Profis auf dem Weg ins Spiel“ lautet der Titel der Dokumentation von Andreas Bach, die sich zum Ziel gesetzt hat, genau das zu beschreiben, was wir Fans letztendlich alle wissen wollen. Um das zu erreichen, fährt Filmemacher Bach einiges auf. In den rund 140 Minuten der Dokumentation kommen zahlreiche Protagonisten zu Wort: Klaus Augenthaler, Horst Heldt, Christoph Biermann, Darius Wosz, Manni Breuckmann, Reiner Calmund, Max Eberl, Thomas Ernst, Jörg Nebelung, Christian Nerlinger – das ist nur eine Auswahl der Gesprächspartner, die in dem Streifen auftauchen. Derart geballte Fußballkompetenz muss man erst einmal vor die Linse bekommen. Vor allem aber muss man den Gesprächspartnern klarmachen, dass das Thema des Films nicht „Ich erzähle jetzt mal ein lustiges Döneken aus meiner Fußballer-Zeit“ ist, sondern „Junge Profis auf dem Weg ins Spiel“. Doch genau das ist Dokumentarfilmer Andreas Bach leider nicht gelungen.
Selten habe ich eine Fußballdoku gesehen, die mich im Nachhinein so ratlos und verärgert zurückgelassen hat. Direkt, nachdem ich den Film sah, war ich drauf und dran, einen bösen Verriss zu schreiben, frei nach dem Motto: „Thema verfehlt – setzten – sechs!“ Doch mit etwas Abstand und der Möglichkeit zur Reflexion, nachdem ich mir ein paar Passagen noch einmal angesehen habe, fällt mein Urteil milder aus. „Hauptsache Fußball“ ist ein Sammelsurium an Interviews mit den unterschiedlichsten Charakteren zu den unterschiedlichsten Themen. Für denjenigen, der vielleicht in 20 Jahren einmal einen Blick auf die „üblichen Verdächtigen der deutschen Fußballszene in der 2010er-Jahren“ werfen will, ist es eine wahre Schatztruhe. Für denjenigen, der in 20 Jahren erfahren will, wie damals junge Profis ihre ersten Schritte im Profigeschäft wagten, leider genauso wenig, wie für den heutigen Zuschauer.
Dabei beginnt der Film so vielversprechend! Mit Holger Badstuber geht es in die Jugendakademie des FC Bayern; mit dem herrlich offenen Spielerberater Jörg Nebelung („Ich werde immer für alle in erster Linie der Robert-Enke-Berater bleiben“) geht es auf Schalke, wo mit Jung-Keeper Robin Himmelmann ein Nebelung-Klient vorstellig wird. Es ist erstaunlich, wie lange Andreas Bach bei diesem Sondierungsgespräch zwischen Spieler, Berater und Vereinsvertretern die Kamera draufhalten darf. Gleiches gelingt ihm später noch einmal bei Verhandlungen von Nebelung für einen weiteren Jung-Torhüter bei RB Salzburg. Man gewinnt wirklich einen Eindruck, wie Vertragsverhandlungen ablaufen, und freut sich auf das, was einem der Film noch bieten wird.
Doch dann – völlig ohne Grund – kommt es zum Bruch. Plötzlich ist das Thema „Jugendfußball“ nur noch ein Feigenblatt, um ganz allgemein über Fußball reden zu können. Plötzlich steht nicht mehr die perspektivische Entwicklung im Mittelpunkt, sondern nur noch das Tagesgeschäft. Das führt dann zu so peinlichen Situationen wie der, in der Gladbachs Sportdirektor Max Eberl sagt: „Wenn ich in fünf Jahren noch hier sitze, wird Michael Frontzeck noch Trainer bei uns sein.“ Um Jugendfußball geht es übrigens in allen Gesprächen mit Max Eber nur ein einziges Mal, als dieser branchenkritisch sagt: „Ich muss mir die Frage stellen, ob ich es wirklich wollte, dass mein Kind Profi wird.“ Ansonsten redet Eberl über Gott und die Welt und ist damit in allerbester Gesellschaft.
Auch in diesen Laberphasen hat der Film seine Stärken. Plausch-Profi Rainer Calmund haut ein paar Storys aus seinen Jahren als Leverkusen-Manager raus – das ist ganz nett. Zum Fremdschämen regen hingegen die Einwürfe der 11-Freunde-Redakteure ein, die – locker in den Film eingestreut – wohl so etwas Ähnliches wie Fußball-Kabarett bieten wollen. Das Ganze bewegt sich dann allerdings auf „Der Magath, der hat Medizinbälle, hö hö hö“-Niveau und hat – ich wiederhole mich – nichts, nichts, nichts aber auch wirklich gar nichts mit „Jungen Profis auf dem Weg ins Spiel“ zu tun. Trauriger Höhepunkt dieser totalen thematischen Verfehlung sind dann die Passagen, in denen es jeweils rund 20 Minuten lang um den Abstiegskampf des VfL Bochum und um die private Fahrt von Filmemacher Bach zum Champions-League-Finale der Bayern gegen Inter Mailand geht.
Ich bin kein Filmemacher. Aber ich bin mir sicher, dass man aus dem Material mehr hätte herausholen können. Von den 140 Minuten des Gesamtfilmes sind ca. 45 Minuten (eine TV-Doku-Länge) herausragend gut, weil sie sich mit dem Thema befassen. Und auch aus weiten Teilen des Rests hätte man ein amüsantes „Tagebuch der Saison 2009/2010“ schneiden können, dann meinetwegen auch mit den doofen Witzen der 11-Freunde-Redakteure und dem partiell selbstverliebten Gerede von Arnd Zeigler. Aber so, wie der Film nun vor mir liegt, fällt er durch!
Fazit: „Hauptsache Fußball – Junge Profis auf dem Weg ins Spiel“ hält nicht, was er verspricht. Der Zuschauer erwartet einen Film über das angekündigte Thema und erhält doch nur Fragmente, aus denen er sich mit viel Glück und ganz viel Durchhaltevermögen selbst ein Bild zusammenpuzzeln kann. Dennoch ist natürlich nicht alles schlecht an diesem Film. Das Problem ist: Unter dem Strich ist einfach zu wenig wirklich gut.
Hauptsache Fußball – Junge Profis auf dem Weg ins Spielamazon.de
Regisseur: Andreas Bach
Erscheinungstermin: 25. März 2011
Spieldauer: 140 Minuten
ASIN: B004Q45OXY
Hinweise zu den Rezensionen: Im Rahmen einer lockeren Reihe stelle ich Bücher und Filme vor, die sich mit Schalke im Speziellen oder Fußball im Allgemeinen beschäftigen. Dabei erhebe ich weder den Anspruch der Allwissenheit noch der geschmacklichen Wortführerschaft, lege aber Wert darauf, dass die Rezensionen ausschließlich meine Meinung transportieren und nicht „käuflich“ sind. Verlage oder Autoren, die ihre Werke hier besprochen sehen möchten, wenden sich bitte an die im Impressum genannte Adresse. |
Abgelegt unter Rezensionen
5 Kommentare zu “DVD-Rezension: „Hauptsache Fußball“”
Danke für die Rezension. Hatte ich schon lange auf meiner Amazon-Wunschliste und ich werde ihn mir „trotzdem“ kaufen. 🙂
Das ist auch richtig so, denn ich möchte diese Rezension umgotteswillen nicht als „Kaufwarnung“ missverstanden wissen. Für den vergleichsweise schmalen Preis erhält man eine handwerklich herausragend gut gemachte DVD mit vielen, vielen, vielen Interviews. Wie man das Gesamtwerk dann bewertet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich habe mich entschieden und meine Meinung hier kundgetan.
Ich finde es jammerschade, dass ich die neue Rezensionen-Rubrik mit einer nicht ganz so positiven Besprechung beginnen musste. Ich bin wirklich kein Knötterkopp der Freude am Verriss hat. Aber ich konnte eben auch nicht schreiben „Wow! Das ist der beste Film, den ich jemals gesehen habe!“ wenn ich es nicht so empfinde.
Ich werde das bei jedem weiteren Buch und jedem weiteren Film genau so wieder handhaben, dass ich schreibe, wenn mir etwas gefällt und ebenso, wenn mir etwas nicht gefällt. Auf „Lohnschreiberei“ in der Hoffnung auf möglichst viele Gratis-Bücher habe ich keine Lust. Deshalb werde ich auch Bücher und Filme besprechen, die ich ganz normal erworben habe, um mich dem Vorwurf „Du schreibst ja nur was, wenn du etwas geschenkt bekommst“ nicht aussetzen zu müssen.
Ich bedanke mich ebenfalls für die detailreiche Rezension. Ist sehr interessant und gut zu lesen. Du hast mir gerade wieder eine fast vergessene Serie in den Vordergrund gerückt: Manni – der Libero.
Muss gleich eh mal in die Stadt. Evtl. finde ich die Serie auf DVD.
Glück auf
„Der Magath, der hat Medizinbälle, hö hö hö“
Irgendwie habe ich deswegen grade voll den Lachflasch 😀
Aber trotzdem guter Beitrag!
Deinem Wunsch nach einem Kommentar möchte ich gerne nachkommen.
Ich bin gerade ein wenig verdutzt, dass ich hier noch nicht kommentiert habe. Ich hatte die DVD schon zu Hause liegen als ich diese Rezension am Erscheinungstag laß und wollte schreiben: „Mist, jetzt hab ich gar keinen Bock mehr sie zu sehen, aber ich mach’s trotzdem.“ Oder hab ich’s vielleicht bei twitter geschrieben?
Egal!
Ich erwische mich bei fast allen Fußball-Dokumentationen irgendwann dabei wie ich auf die Uhr schaue und der Frage „Wie lange noch?“. So auch hier.
Ich hätte gerne eine kürzere, damit aber auf’s Thema fokussierte, Doku gesehen.
Das Hauptaugenmerk liegt ja schon auf der Begleitung von Jörg Neblung (so heißt der übrigens, nicht Nebelung) und gefühlt hätte ich jetzt auch auf über 50% des Films getippt, aber womöglich trügt mich mein Gefühl auch. Diese Teile finde ich gut. Ich kann dem auch gut zuhören und der kommt echt rüber.
Der Film ist, wie du schreibst, verwässert mit, zwar unterhaltsamen oder interessanten, aber eben nicht zum Thema passenden, Anekdoten und Episoden.
Während des Schauens gefallen mir z.B. die Episoden mit Familie Bach. (Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass die wenig zum Thema beisteuern.) Man hätte gut einen zweiten Film draus machen können. Da rein hätten dann auch die peinlichen Ausschnitte mit Köster und Völler von der 11 Freunde gehört. (Calli bitte aus beiden Filmen streichen.)
Da mich aber irgendwie sowohl die zum Untertitel passenden Teile, als auch die meisten anderen Teile, recht gut unterhalten haben, würde ich den Film durchaus empfehlen. Wenn man die Zeit hat und nicht nur auf Jugendarbeit gepeilt ist, kann man den ruhig schauen.