Schalke auf Studienfahrt

28. Nov. 2011 | 13 Kommentare

Kurze Frage vorneweg: Hat jetzt jeder Sack und Asche bereitgelegt? Ja? Gut! Dann können wir anfangen mit der Aufbereitung der Ereignisse vom Samstag. Schalke verlor mit 0:2 in Dortmund und man muss gar nicht lange drumherum reden: Es war verdient. Dortmund war in nahezu allen Belangen besser als die Knappen, mit Ausnahme der Torhüterposition vielleicht, bei der man vermuten kann, dass Königsblau gleichwertig agierte. Einzig die vollständige Betätigungslosigkeit von Roman Weidenfeller setzt hinter dieser These ein Fragezeichen. Doch so kurios es klingt: Gerade der am Samstag überragende Unnerstall war eine der Schwachstellen im Schalker Spiel, die Dortmund mit Erfolg beackerte. Denn so überragend der lange Schlacks auf der Linie ist, so schwach sind seine Leistungen mit dem Ball am Fuß. „Wir haben bewusst Lars Unnerstall zugestellt und ihn auf diese Weise zu langen Bällen gezwungen, weil wir – ähm – im Mittelfeld kopfballstärker sind“, gab Jürgen Klopp nach dem Triumph kleistergrinsend zu Protokoll. Was der Gastgeber-Trainer aus Gründen der Höflichkeit nicht sagen wollte war: „Wir haben registriert, dass nahezu jeder Abschlag von Unnerstall entweder im Seitenaus oder in den gegnerischen Reihen landet.“

Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Nichts liegt mir ferner als Unnerstall die Schuld am kollektiven Versagen der Schalker Tugenden zuzuschreiben. Ihm allein war es am Samstag zu verdanken, dass Dortmund aus dem Spiel heraus kein Tor gelang, dass es trotz der irrwitzigen Überlegenheit des BVB zwei Standardsituationen brauchte, um den Meister auf die Siegerstraße zu setzen.

Um zu verstehen, warum das Derby so einseitig war, muss man einfach einen Gang zurückschalten, die Tabelle außer acht lassen und sich vergegenwärtigen, was Schalke kann. Schalke ist in der Lage, rasend schnell aus der eigenen Hälfte nach vorne zu spielen. Kurzer Abstoß Unnerstall, Ballmitnahme Matip, kurzer Pass auf Holtby oder Raúl, langer Ball auf die Flügel, Flanke ins Zentrum und schon steht man vor dem gegnerischen Tor. Dieselbe Spielvariante noch einmal, nur diesmal nicht über die Flügel sondern direkt durchs Zentrum – das ist die zweite erfolgversprechende Schalker Offensivoption. Das Ganze nur als „Konterspiel“ abzutun wäre zu kurz gegriffen, denn Schalke gelang dieses schnelle vertikale Spiel zuletzt auch gegen Gegner, die eben nicht weit aufgerückt waren und nicht den Raum für Konter öffneten. Es funktionierte auch gegen hoch verteidigende Teams, die allerdings die letzte Konsequenz vermissen ließen.

Ganz anders Dortmund am Samstag: Von der ersten bis zur letzten Minute stellten die Gastgeber die eingeübten Schalker Passwege im Mittelfeld zu und sorgten mit einem beachtlichen Laufspiel dafür, dass Schalke keine Alternativen fand. So regierte im Schalker Offensivspiel allein das Prinzip Hoffnung. Hoffnung darauf, dass vielleicht ein langer Abschlag von Unnerstall nicht an der Mittellinie zurückprallt wie ein Tischtennisball von der hochgeklappten Platte. Hoffnung darauf, dass man aus einem Zweikampf im Mittelfeld vielleicht doch mal als Sieger hervorgeht, obwohl der Gegner konsequent doppelte und „dreifachte“. Diese Hoffnung erfüllte sich viel zu selten.


„Es ist im Fußball dann eben doch ganz oft so, dass dem Gegner wenig gelingt, wenn man ihm wenig erlaubt“, war ein weiterer Satz, den ein (zurecht) zufriedener Jürgen Klopp in die Mikrophone sprach. Und hier sind wir dann auch schon beim zweiten Grund für die verdiente Pleite. Denn während man den Spielern des BVB den unbedingten Willen zum Sieg von der ersten Minute an ansah, reagierte Schalke nur und dies auch noch viel zu halbherzig. Ich bin kein Freund dieser „Gras-fressen und Arsch aufreißen“-Plattitüden, die nach einer Niederlage gerne die Runde machen. Aber natürlich war auch der mangelnde individuelle Einsatz ein Grund für die Ernüchterung.

So. Und jetzt legen wir Sack und Asche einmal beiseite und machen uns bei aller Enttäuschung eines bewusst: Am Samstag ging’s in Dortmund auch nur um drei Punkte! Derby-Blablabla hin oder her. Beim Meister, der in der Liga längst wieder einen glänzenden Lauf hat, muss man auch mal verlieren können, ohne direkt alles in Frage zu stellen. Wer das nicht akzeptiert, wähnte Schalke schon wieder in Regionen, in die man das Team nicht verorten darf.

Am kommenden Wochenende spielen der Erste (Dortmund) gegen den Zweiten (Gladbach) und der Dritte (Bayern) gegen den Vierten (Bremen). Der Fünfte (Schalke) wird indes in der heimischen Arena gegen den 18. der Tabelle (Augsburg) antreten. Das ist ein Spiel, das man gewinnen muss, denn auch dann wird es um drei Punkte gehen. Partien wie gegen Dortmund und Bayern können indes nur eine kurze Standortbestimmung sein. Schalke weiß jetzt, wie weit man hinter Dortmund steht. Wenn die Mannschaft die richtigen Schlüsse daraus zieht, war die Studienfahrt der von Huub Stevens so titulierten „Schülermannschaft“ vielleicht gar nicht nutzlos, auch wenn die Erfahrung an sich sehr bitter war.

Mehr zum Spiel schreibt der „kicker“.

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Bild: Bernie78Ger@Flickr

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13 Kommentare zu “Schalke auf Studienfahrt”

  1. Löbbeckeam 28. November 2011 um 07:32 1

    Hey Matthias,

    ich habe nach 5 Minuten zu meinen Bekannten gesagt, dass wird heute nichts, die haben einen Köttel in der Hose. Und so war es auch das ganze Spiel über. Während man bei den anderen den unbedingten Willen gespürt hat, war bei uns sehr viel Angst und Unsicherheit im Spiel. Man konnte ob des schönen Fußballs den die anderen spielen, schon ein bisschen neidisch sein. Obwohl ich fand es gab auch etwas worauf man auf Schalke neidisch sein konnte. Während unsere Fans 90 Minuten durchgesungen und gefeiert haben, kam von den angeblich besten Fans der Liga aber auch gar nichts. Ansonsten, neues Spiel,neues Glück. Löbbi

  2. Andi M.am 28. November 2011 um 07:50 2

    Schöner Titel! So kam’s einem vor.

  3. Carlito69am 28. November 2011 um 09:35 3

    Eben, so betrachtet ist das kommende Spiel fast wichtiger als das letzte. Dumm, dass in diesem Jones und Papa fehlen. Aber dann können halt mal wieder die Bankdrücker beweisen, dass sie es doch drauf haben…

  4. matzewepunktam 28. November 2011 um 12:09 4

    Mich ärgert eines, da stellen sich die Jungstudierenden vor dem Spiel hin und geben öffentlichkeitswirksame Statements zum Derby und im Spiel siehste nichts davon, nicht mal ím Ansatz. Da war keiner auf dem Platz, der mal ne eine Hallo Wach Ansage gemacht hat. Schlimmer Fußball! Hoffentlich spielt Huub denen das nochmal vor! Ich bin sauer und will dieses desolate Spiel nicht noch schönreden. Man kann dort verlieren, aber nicht so und mit nem Ködel in der Büx! Ich hoffe nur, dass Augsburg keine Gurkerei wird.

  5. Matthiasam 28. November 2011 um 12:33 5

    Da stellen sich die Jungstudierenden vor dem Spiel hin und geben öffentlichkeitswirksame Statements zum Derby und im Spiel siehste nichts davon.

    Wenn ich eines in dieser Saison gelernt habe, dann dass man Aussagen wie „Wir müssen zusammenstehen und jeder alles für den anderen geben“, „Wir werden den Gegner auf keinen Fall unterschätzen“ oder „Wir werden uns für unsere Fans die Seele aus dem Leib rennen“ am treffendsten mit „Wie? Morgen ist schon wieder ein Spiel? Also das passt mir jetzt aber gerade ganz schlecht in den Kram“ übersetzen muss.

  6. Di Ospeoam 28. November 2011 um 13:32 6

    Ich bin begeistert, dass sich auch mal einer der Blogger traut Kritik an Unnerstall zu äußern. Er macht seine Sache ja wirklich mehr als ordentlich, auf der Linie oder im eins gegen eins (ich sag nur Haifa) hat er schon das ein oder andere Gegentor sehr gut verhindert. Aber schon in Leverkusen hab ich mich darüber geärgert, dass Unnerstall eine gefühlt halbe Ewigkeit braucht bis er sich entschieden hat wohin mit den Ball und dann meist nur noch der lange Abschlag als Möglichkeit verblieb. Da hab ich es noch der anfänglichen Unsicherheit zugerechnet, inzwischen müsste er aber genügend Selbstvertrauen haben auch mal nen schnellen vernünftigen Abwurf / Pass hinzubekommen, einzig fehlt es ihm dort am Können. Am Samstag konnte man beim Aufwärmen über 50 Meter die genervte Miene von B.Dreher sehen, weil die dort geübten Abschläge von Unnerstall zu 90 % 5-10 Meter VOR der Mittellinie wie ein nasser Sack runterfielen. Die vernünftig zu verarbeiten ist fast unmöglich / zu verteidigen recht einfach.
    Dass er am Samstag fast der einzige Schalker war, der sich über 90 Minuten gegen die Niederlage zu wehren versuchte ist da für mich nur ein schwacher Trost…

  7. Schlackesam 28. November 2011 um 16:15 7

    Gibt ihm Zeit. Natürlich ist der Unnerstall noch nicht der abgebrühte und perfekte Torwart. Die Messlatte wurde ja auch sehr hoch gelegt von unseren letztem Torverhinderer. Aber auch MN zeigt Gott sei Dank seinen wahren Wechselgrund zu den Bazies. Der will denen dort eine weitere Meisterschaft vermasseln, fliegt dort aus dem Kader und kommt dann nach erfolgreicher Mission ablösefrei zu uns zurück. War nur ein Scherz, oder besser gesagt, mein Wunschgedanke.

    Die Leistung am Samstag war erschreckend und erinnerte an das miese Auftreten gegen die Bazies. Sind mit den bisher gezeigten leider meilenweit von diesen beiden Mannschaften entfernt.
    Seien wir doch ehrlich, die Situation wird vom jetzigen Punkte/ Tabellenstand nur geschönt. Selbst Siege wie der gegen Köln kamen erst nach einem umschrittenen Elfer zustande. Gegen Freiburg war’s auch viel Glück,usw.
    Hoffentlich kommt bald eine Leistungssteigerung. Ich hoffe deshalb, weil ich fest davon überzeugt bin, daß die Jungs deutlich besser spielen können.

    Ciao

  8. holzboy2008am 28. November 2011 um 19:19 8

    Wo ist eine Steigerung?.Es gibt keine !.Ein paar gute Spiele in der CL im letzten Jahr.Ein mit viel Glück erreichtes PK Finale ,gegen einen von Verletzungssorgen geplagten 2Ligisten.Sonst Samstag für Samstag(Leverkusen mal ausgenommen) mit mehr oder wenig Dusel (4Tore besser wie Nürnberg?) jede Menge Punkte ergattert .
    Spielerrisch sehe ich seit 2Jahren keinen Fortschritt,weil alle Spieler sollten sie erst mal bei uns spielen,auf das abrufen ihrer Fähigkeiten verzichten.(hier u.da gibt es mal einen Ausreisser,aber nie was konstantes).Jung sind die Spieler bei unserem Nachbarn auch.(Fußball sieht da aber anders aus, also sie haben schon viel richtig gemacht).
    Das sehe ich bei uns nicht mal im Ansatz .Warum gelingt uns nicht mal das was selbst Mainz glingt?.
    Spiele wie gegen Larnaka u.sw gelingen uns jedenfalls öfters!.(nach s einem kick ,Ohnmacht ist schlimm,100mal mehr).

    glück auf

  9. KönigsblauMSam 28. November 2011 um 19:46 9

    Unser Vertretungs-Spielführer senor Raul hatte die Seitenwahl gewonnen, entschied sich aber für das falsche Tor und ließ seine Mannschaft in der ersten Hälfte gegen den zeitweise starken Wind spielen. So lag diese legitime Vorteilsnahme bei den BXB-Spielern. Unser, mit Abstand bester Mann, hatte bei Abstößen offensichtlich seine Probleme gegen den Wind genauer zu timen oder überhaupt über die Mittellinie zu kommen…

  10. Carlito69am 28. November 2011 um 19:54 10

    Dieses Problem hat er aber, mit Verlaub, nicht nur gegen den Wind, sondern immer.

    Trotzdem hat er seinen Job auf der Linie super gemacht, und das ist ja nun mal auch sein Kerngeschäft, wie es heute „so schön“ heißt…

  11. KönigsblauMSam 28. November 2011 um 20:47 11

    @Carlito 69 Wenn nach einem Abstoß der Gegner an den Ball kommt, machen meistens die eigenen Spieler etwas falsch. Nun lasst doch unseren jungen Keeper mal in Ruhe. Die flasche Seitenwahl hingegen kann mich schon nervös machen, auch wenn der Spielführer Raul heißt.

  12. Di Ospeoam 28. November 2011 um 21:20 12

    @KönigsblauMS
    „Wenn nach einem Abstoß der Gegner an den Ball kommt, machen meistens die eigenen Spieler etwas falsch.“

    Sry aber das kann man einfach so nicht sagen.Lange hohe Bälle sind grundsätzlich scheiße aber die hohen Bälle von LU vernünftig zu verarbeiten ist einfach kaum möglich, zum verlängern sind sie zu lasch und zu kurz, das macht es der verteidigenden Mannschaft dann schon sehr einfach und wenn man so häufig so schnell den Ballbesitz abgibt kann man ja kaum selber agieren.

  13. Carlito69am 29. November 2011 um 05:24 13

    Bei unserem Ex-Torwartangestellten sind dieselben Spieler komischerweise aber fast immer an die Bälle gekommen. Aber wir sind hält auch verwöhnt und es ist ja auch nix, was man nicht trainieren könnte. Nur sehe ich halt auch noch keine wirkliche Entwicklung…