Der erste Beckham

27. Dez. 2010 | 2 Kommentare

Im Rahmen einer kleinen Serie veröffentliche ich Auszüge aus einer rund 36 Jahre alten Kladde einer damals jugendlichen Anhängerin und nehme dies zum Anlass, selbst ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Jeder Leser dieser Seite ist eingeladen, es mir gleichzutun.

Erwin Kremers war als Spieler sicherlich kein extrovertiertes Großmaul. Aber für seine Zeit hatte er schon ein feines Gespür dafür, was die Medien von einem erwarten und wie man sich eine Fanbasis auch außerhalb des Fußballs schafft. Damit meine ich nicht nur das legendäre Gesangsduett „Die Kremers Zwillinge“ mit seinem Bruder Helmut, das so bedeutende Werke wie „Das Mädchen meiner Träume“ hervorbrachte. Erwin Kremers pflegte auch das Stilmittel der „Homestorys“ und gewährte regelmäßig Journalisten Eintritt in sein Privatleben.

Sportliche und „gesellschaftliche“ Erfolge gingen bei Erwin Kremers Hand in Hand: DFB-Pokalsieger mit Offenbach und Schalke, Europameister mit der deutschen Nationalmannschaft, zugleich ein Goldener Otto von der Bravo. Dass ausgerechnet Erwin, der als der „zartere“ und bescheidenere der beiden Zwillinge galt, sich die WM-Teilnahme 1974 durch eine Schiedsrichterbeleidigung im letzten Spiel der Meisterschaftssaison vermasselte, passt da so überhaupt nicht ins Bild.

Anders als der echte Beckham zog sich Erwin Kremers nach seiner aktiven Karriere weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Er versteckte sich nicht hinter den hohen Mauern einer Villa, aber er hielt auch nicht bei jeder Gelegenheit seine Nase in die Kameras. Im Rampenlicht ließ er anderen den Vortritt, unterem anderem seinem Bruder Helmut, für den er auch den legendären „Gegen Dortmund haben wir uns noch nicht einmal umgezogen“-Satz ersonnen haben soll.

Kurzum: Der erste Beckham lebte und lebt den Gegentwurf zu den öffentlichkeitsgeilen Ex-Fußballern unserer Zeit, die kaum eine Woche ohne neue Schmuckdesignerin-Lebensgefährtin oder Gala-Fotostory überstehen können. Das macht ihm mir sympathisch.

Abgelegt unter Schalke

2 Kommentare zu “Der erste Beckham”

  1. Uweam 31. Dezember 2010 um 20:27 1

    Also ich hab´s ja schon beim Quiz geschrieben, dass das mein Lieblingspieler schlechthin ist. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nicht Schalkefan. Obwohl,angefangen hatte alles als ich mit dem Opa 1970 die WM im Fernsehen anschaute und Stan Libuda auf dem rechten Flügel zaubern sah. Was aber dieser Erwin Kremers in der Folge bei Schalke auf dem linken Flügel veranstanstaltete warauch nicht von schlechten Eltern…. und wahrscheinlich lag es schon auch an der Medienpräsenz, dass er gerade mein Lieblingsspieler wurde – obwohl es hätte ja auch der andere Zwilling werden können! 😉

    Nee, wie die meisten war und bin auch ich ein Verfechter des offensiven Spiels (obwohl mir z. B. heute auch ein Höwedes sehr gut gefällt) und darum fiel die Wahl wohl auf Erwin. Bis heute ist auch die 11 meine Lieblings-/Glückszahl.

    Schade für ihn, dass er unter den Auswirkungen des BL-Skndals litt und zudem diese blöde Rote Karte vor der WM 1974 erhielt und der DFB damals kategorisch eine Teilnahme ausschloss…

  2. Manfredam 5. Januar 2011 um 17:16 2

    Wow, was so ne brandneue Glaskugel zu Whyn8en so alles schafft: ‚Anders als der echte Beckham zog sich Erwin Kremers nach seiner aktiven Karriere weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurück.‘
    Wußt gar nicht, daß der gute David nicht mehr spielt 😀
    Und den Widerspruch zwischen Kremers‘ damaliger Medienfreundlichkeit (mit definitiv weniger medialem Zirkus als jetzt) einerseits und dem Gegenentwurf – seh den nur ich?