Als ich einmal für knapp 25 Stunden Alice-Kunde war

16. Jul. 2008 | 2 Kommentare

Gestern habe ich telefonisch einen Auftrag für einen neuen Telefonanschluss beim Anbieter „Alice“ (HanseNet Telecommunication GmbH) erteilt. Heute habe ich den Auftrag wieder storniert. Die mir zwischenzeitlich zugesandte Auftragsbestätigung war in einem entscheidenden Punkt falsch. Natürlich habe ich vor der „Radikallösung Stornierung“ versucht, auf dem „kurzen Dienstweg“ den falschen Punkt korrigieren zu lassen. Dabei wurde ich einmal mehr Zeuge dessen, was man bei Telekommunikationsanbietern unter „Kundenbetreuung“ versteht.

Gestern war alles noch so schön und einfach. Man wählt eine kostenlose 0800er-Nummer, wird von freundlichen Menschen in Empfang genommen, die ein Ohr für die speziellen Wünsche haben. In meinem Fall ist der Wunsch eigentlich gar nicht mal so speziell. Ich ziehe in Kürze innerhalb Münsters von Wohnung A in Wohnung B um. In Wohnung A habe ich einen Telefonanschluss bei der Telekom, dessen ich nun aber überdrüssig geworden bin. In Wohnung B wollte ich (ursprünglich) einen Telefonanschluss von „Alice“ schalten lassen. Und nun die einzige Schwierigkeit: Meine alte Telefonnummer aus Wohnung A hätte ich natürlich ganz gerne in Wohnung B übernommen.

„Alles gar kein Problem“, trällerte es mir gestern entgegen. „Das machen wir doch ständig. So ein Umzug ist ja auch die beste Gelegenheit, einen neuen Telekommunikationsanbieter auszuwählen“ frohlockte der freundliche Kundenbetreuer derart euphorisiert, dass ich mir eigentlich schon da hätte Sorgen machen müssen. Tat ich aber nicht, stattdessen wurde ich übermütig. Ob es denn auch möglich wäre, mir die erforderliche Hardware zum Anschluss weder in meine alte, noch in meine neue Wohnung, sondern in mein Büro liefern zu lassen „Alles gar kein Problem“, zwitscherte das Vögelchen erneut in derart hohen Tönen, als hätte es gerade durch puren Zufall sein Geschlecht entdeckt und für gut befunden. Auch der Rest des Bestellvorgangs war „Alles gar kein Problem“. Die nette Alice in ihrem roten Kleidchen werde für mich sogar meinen Telefonanschluss in meiner alten Wohnung kündigen. Das sei schließlich Service und überhaupt wolle man den Kunden soviel wie möglich abnehmen, damit die „gar kein Problem“ haben. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, den jubilierenden Bestellbetreuer nach einem Heilmittel für Krebs zu fragen. Es wäre sicherlich „gar kein Problem“ gewesen. Ach, das Leben kann von unerwartet heiterer Leichtigkeit sein, wenn man denn nur bei der Alice-Bestellhotline anruft…

Heute traf dann die Auftragsbestätigung ein. Und siehe da: Auf einmal doch ein Problem. Das gibt’s doch nicht – oder doch? Jedenfalls waren beim Bestell-Betreuer anscheinend derart die Hormone durchgegangen, dass er die Lieferadresse für die Hardware (mein Büro) schonmal komplett unterschlagen hatte. Schwerwiegender war aber, dass ich per Unterschrift bestätigen sollte, meinen Telefonanschluss in meiner zukünftigen Wohnung zu kündigen. Häh? Kündigen was ich gar nicht habe? Aber „ist ja gar kein Problem“ schoss es mir durch den Kopf – rufe ich nochmal in diesem Freudenpfuhl der Bestellhotline an.

Tuut… Tuuuut ….

„Ja, schönen guten Tag, mein Name ist Matthias in der Weide. Ich habe da eine Anmerkung zu ,meiner Auftragsbestätigung, die mir heute zugegangen ist. Da ist noch ein Fehler drin. Können wir den gerade mal fix verbess…“

Weiter kam ich nicht. Stattdessen wurde mir stakkatoartig entgegen geschleudert, dass ich nun ja Kunde sei und mich nicht mehr an die Bestell-Hotline, sondern an die Kundenhotline wenden müsse. Und natürlich sei diese Kundenhotline kostenpflichtig. 14 Cent pro Minute.

In der Hoffnung, bei der Kundenhotline vielleicht die kleine Schwester des „Alles-kein-Problem-Mannes“ anzutreffen, wählte ich die 01805er-Nummer. Leider war Schwesterherz heute verhindert. Stattdessen durfte ich mich über 20 Minuten lang mit der Tochter von Frau „Da-bin-ich-nicht-für-zuständig“ unterhalten. Die erzählte mir zunächst einmal, dass ein Umzug bei gleichzeitiger Rufnummernmitnahme und einem Anbieterwechsel  gar nicht möglich sei und ich mich schon entscheiden müsse, was ich denn nun wolle. Ich verkniff mir die Frage, ob sie persönlich etwas dagegen hat, dass ich eine wohnungstechnische Verbesserung anstrebe und wies darauf hin, dass der „Gar-kein-Problem-Mann“ mir gestern aber exakt das Gegenteil entgegen geflötet hatte. Also verschwand Frau „Da-bin-ich-nicht-für-zuständig“ für ein paar kostenpflichtige Minuten im Back-Office um mit der Nachricht zurückzukehren, dass ich wohl doch recht habe. Oha!

Was mein Problem mit der falschen Kündigungsadresse angeht, so riet sie mir nach zweimaliger Rückfrage im Back-Office, ich solle das Fax trotzdem abschicken. Eventuell könnte ich ja die falsche Adresse durchstreichen und die neue handschriftlich eintragen. Auf meine Gegenfrage, ob es nicht sinnvoller wäre, die falsche Adresse direkt im System zu ändern und mir die Auftragsbestätigung noch einmal zuzusenden, erhielt ich eine fachlich hochinteressante Einführung in moderne Computersysteme: „Das kann ich machen, aber das ändert nichts. Sie bekommen dann trotzdem wieder die andere Adresse zugeschickt. Das liegt an den Computern. Die machen das von ganz alleine. Da kann man nichts dran ändern. Und außerdem bin ich dafür gar nicht zuständig.“

Nun ist man es als geübtes und ebenso genervtes Call-Center-Opfer durchaus gewohnt, dass der Mensch (?)  am anderen Ende der Leitung grundsätzlich für nichts zuständig ist. Ergo bittet man routiniert darum, an die nächsthöhere Stelle vermittelt zu werden. Doch auch dafür war Frau „Da-bin-ich-nicht-für-zuständig“ nicht zuständig. Ich versuchte einen raffinierten Winkelzug: „Dann hinterlegen Sie bitte einen Rückrufwunsch im System, damit mich ein Zuständiger anrufen kann. Geht das vielleicht?“ Wenig überraschend ging es aufgrund mangelnder Zuständigkeiten nicht.

Frau „Da-bin-ich-nicht-für-zuständig“ wagte sich an die Grenzen ihrer Kompetenz heran und erörterte mir noch einmal ihren kühnen, genialen „Adresse-durchstreichen“-Plan: „Wenn sie das jetzt machen, dann landet ihre neue Angabe doch auch bei uns im System. Glaube ich zumindest. Nee, da bin ich mir echt fast sicher.“ Ich fragte interessiert nach:“Ach, dann wird mein Fax an den Datensatz ihrer SAP-, SQL- oder mit was sie auch immer arbeiten-Datenbank getackert?“ Sie (hocherfreut): „Ja!“. Ich (irritiert): „Wie muss ich mir das vorstellen: Steckt dann jemand mein Fax in den Lüftungsschlitz eines Servers und innen drin steht dann ein Männchen mit einem klitzekleinen Bürotacker?“ Sie (merkend, dass ich ihren Worten anscheinend misstraue): „Nicht direkt. Aber in etwa schon.“

Die Vorstellung von kleinen, mit Bürotackern bewaffneten Männchen, die durch die Kundenhotline-Zentrale von Alice flitzen, stimmte mich wieder etwas milder. Ich schöpfte Vertrauen. „OK, dann schicken Sie mir gerade noch eine Mail, in der Sie mir mitteilen, dass ich auf den Fehler im Datensatz aufmerksam gemacht habe und sie mir zur Durchstreich-Variante geraten haben, bitte.“ Ein dreistes Ansinnen meinerseits, das Frau „Da-bin-ich-nicht-für-zuständig“ umgehend mit der Nennung ihres Namens erwiderte.

Und so ging es noch ein paar Minuten hin und her während deren sich in mir die Einsicht manifestierte, dass es sinnlos ist, ein Vertragsverhältnis mit einem Unternehmen aufzunehmen, in dem auf der einen Seite vor Glückshormonen strotzende, problemverursachende  „Gar-kein-Problem“-Männchen ihr Tagwerk verrichten und auf der anderen Seite „Da-bin-ich-nicht-für-zuständig“-Frauen nicht zuständig sind, die darüber hinaus noch an klitzekleine Flitzer mit Bürotackern glauben. Ergo stornierte ich meinen Auftrag. Telefonisch. Direkt. Und welch Wunder: Dafür war die Kundenbetreuerin dann urplötzlich wohl doch zuständig.

Hat mich allerdings nicht daran gehindert, das ganze auch noch einmal schriftlich zu machen. Sicher ist sicher.

Abgelegt unter Leben analog,Münster

2 Kommentare zu “Als ich einmal für knapp 25 Stunden Alice-Kunde war”

  1. verschwenderam 16. Juli 2008 um 20:34 1

    Unverständlich, ist ja nicht gerade so, daß es auf dem Telekomunikationsmarkt keinen Wettbewerb gäbe. Aber das eine Kundenhotline heute immer noch so inkompetent ist, ist schon erstaunlich. Ich habe mit der Hotline der Telekom und der von Arcor zum Glück nur gute Erfahrungen gemacht, auch wenn der Ruf der beiden immer noch super schlecht ist.

  2. hellwacham 18. Juli 2008 um 23:37 2

    ich hab mir den Tag über ständig eingeredet: es wird besser, ja alles wird gut. Danke Matthias, auch wenn du es bereits am Mittwoch verfasst hast, du hast diesen Freitag gerettet.