WM-Tickets: Das unsägliche Geplärre geht weiter

06. Mrz. 2006 | Keine Kommentare

Vor wenigen Tagen wurde das Design der WM-Tickets vorgestellt. Das ist insofern eine Nachricht, als dass die zahlreichen Sponsoren, die derzeit Freikarten in Hülle und Fülle verlosen, jetzt endlich mit Bildern der Karten werben können. Bislang mussten sie sich mit möglichst unverfänglichen Darstellungen begnügen, die das WM-Logo, das Signet der FIFA und vielleicht noch den Schriftzug „Ticket“ zeigten. Doch darum soll es jetzt gar nicht gehen. Vielmehr möchte ich mich darüber auslassen, was heute bereits den ganzen Tag den Boulevard rauf und runter poltert: die große Ungerechtigkeit mit den Politikern und den WM-Karten.

Was der Stern noch recht besonnen verkündet, liest sich im Focus schon ein wenig reißerischer. Den Vogel schießt – wie üblich – die BILD ab, die indirekt sogar die These aufstellt, die „Grünen“ und die „Linkspartei“ hätten sich nur deshalb für die „Doppelspitze“ entschieden, weil es für jeden der beiden Vorsitzenden Gratis-WM-Karten gibt. Und es kommt noch schlimmer: Selbst Sylvia Bretschneider (SPD) erhält Karten! Sylvia wer? Zur Erklärung: Die 45-jährige ist Präsidentin des Landtages in „Meck-Pomm“. Empört fügt BILD hinzu:

„Die Diplomlehrerin für Englisch und Deutsch ist bundesweit bisher nicht als Fußball-Expertin in Erscheinung getreten. Aber immerhin gehört sie einem Sportverein (‚Motor Süd Neubrandenburg‘) an.“

Da ist sie also wieder, die berühmte „Alles so ungerecht“-Diskussion, die wir Deutschen so sehr lieben. „Die da oben“ bekommen alles – und jetzt sogar WM-Tickets. „Die da oben“ haben es gut. „Die da oben“ kümmern sich nicht um die Belange des „kleinen Bürgers“.

Baoh, dieses Geplärre ist echt zum kotzen!

„Die da oben“ sind im aktuellen Fall 79 handverlesene Personen und übrigens nicht nur Politiker. Auch Verfassungsrichter gehören zur kleinen Gruppe derer, denen in Deutschland ein paar Sonderrechte eingeräumt werden. Des Weiteren mit dabei sind die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident, der Bundestagspräsident und seine Stellvertreter, die Bundesminister, die Ministerpräsidenten der Länder sowie die Landtagspräsidenten. Habe ich jemanden vergessen? Ach ja, die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien – Stichwort: Doppelspitzen.

Insgesamt existiert laut Aussage der FIFA ein Kontingent von 400 Plätzen pro Spiel, das Personen mit repräsentativen Funktionen vorbehalten ist. Dem entgegen steht ein Kontingent von 600 Karten, das allein die Journalisten der schreibenden Presse für sich beanspruchen. Konkret: Die BILD-Zeitung, der Focus, der Stern, der Spiegel und wie sie alle heißen, die heute die große Ungerechtigkeit anprangern – sie alle bekommen Karten für die WM. Wieso wird darüber eigentlich nicht berichtet?

Kurz nachdem Angela Merkel den Posten der Bundeskanzlerin antrat, ging sie auf Staatsbesuch-Tournee. Unter anderem ließ sie sich dabei vom französischen Präsidenten die Hand abknutschen. Das ist ungerecht! Warum schlabbert Chirac nicht die Hand von Erna Krawutschke aus Castrop Rauxel-Bladenhorst ab? Warum darf Bundespräsident Horst Köhler die Weihnachtsansprache im Fernsehen halten und Walter Schibulewski aus Münster-Coerde nicht. Why the fuck darf sich Zottelbart Wolfgang Thierse als (mittlerweile) stellvertretender Bundestagspräsident von den Saaldienern des Hohen Hauses ein Mineralwasser bringen lassen und wieso holen mir die Pinguine stattdessen nicht einmal „Currywurst-Pommes Schranke“ und ein paar Bier von der Tanke?

Nee, nee – gerecht ist das nicht. Gerecht wäre es, wenn nicht Horst Köhler am 9. Juli den WM-Pokal überreichen würde, sondern die Klofrau von der Autobahnraststätte Münster-Nord. Warum ausgerechnet die? Weil sie bei der Verlosung Tickets für das Finale erhalten hat und und Horst Köhler nicht.

[Wer seinen Kopf zum denken hat, darf ihn jetzt benutzen.]

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