Tage der Weichenstellung, Teil 1

05. Jul. 2010 | 11 Kommentare

Es ist WM. Noch immer. Und dennoch wirft die kommende Bundesliga-Saison ihre Schatten voraus. Spätestens mit der heutigen Vorstellung des Spielplans hat der Countdown begonnen. In eineinhalb Monaten ist es schon wieder soweit. Für Schalke beginnt die Saison mit dem “Supercup” gegen den Meister aus München in exakt 33 Tagen. Eine Woche später reist man nach Aalen zum DFB-Pokalspiel und dann steht das erste reguläre Ligaspiel beim Hamburger SV an. Es ist deshalb durchaus statthaft, einmal einen Blick auf die personelle Entwicklung des Kaders zu werfen.

1. Das Tor: Schalkes Sorglos-Zone.

Manuel Neuer spielt derzeit in Südafrika ernsthaft um den WM-Pokal mit. Ein großartiger Erfolg für die Mannschaft und für ihn persönlich. Mit viel bösem Willen kann man ihm eine Teilschuld am zwischenzeitlichen 1:2-Anschlusstreffer der Engländer geben, doch ansonsten spielte er makellos. OK, so richtig auszeichnen konnte er sich auch noch nicht, dennoch wird die Fußballwelt ein ernstes Auge auf ihn geworfen haben. Man stelle sich vor, der Schalker Junge kehrt als Weltmeister aus Südafrika zurück… Angebote aus England, Spanien und Italien wird es dann von den üblichen Verdächtigen reflexartig hageln. Für die kommende Spielzeit besteht allerdings noch keine Gefahr. Neuer ist – wie Magath es stets betont – “unverkäuflich”. Doch ob mit Weltmeistertitel oder ohne: Es wird für Schalke verdammt schwer werden, Manuel Neuer über die Saison 2010/2011 hinaus eine echte Perspektive zu bieten. Will Schalke Neuer halten, ist man im kommenden Jahr zum Erfolg – sprich: erneute CL-Qualifikation – verdammt.

Mit Mathias Schober steht ein starker zweiter Mann hinter Neuer, dem man durchaus zutrauen darf, das Schalker Tor im Falle eines Ausfalls des Stammkeepers zu hüten. Vielleicht nicht über eine komplette Saison hinweg, doch für einzelne Spiele mache ich mir da überhaupt keine Sorgen.

Fazit: Das Tor ist auf Schalke eine absolute Sorglos-Zone. Noch.

2. Die Abwehr: Trotzdem noch ein Prunkstück

Nun ist es also geschehen. Marcelo Bordon hat heute seinen Vertrag auf Schalke aufgelöst. Wieder einmal verlässt ein verdienter Spieler den Verein heimlich still und leise durch die Hintertür. Keine Jubelovationen am letzten Spieltag, kein Blumenstrauß, keine Tränen auf den Rängen und auf dem Rasen. Bordon ist einfach nach Katar geflogen – und das war es dann wohl. Vielleicht kommt er doch noch einmal kurz zurück und holt sich eine Plakette ab. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Schalke heute seinen “Mister Zuverlässig” verloren hat. Mit Ausnahme einer kleinen Schwäche- und Stänkerphase unter Fred Rutten hat er in all’ den Jahren in vorbildlicher Weise seine Knochen für die Knappen hingehalten und ich gebe es gerne zu: Er wird mir bestialisch fehlen.

Bordons Abgang ist natürlich ein Stückweit konsequent. Er hatte sein Alter erreicht und gehörte zu den Top-Verdienern, denen sich Magath aktuell notgedrungen entledigt. Ein Ersatz ist auch schon da: Christoph Metzelder. Der ist zwar auch nicht mehr der Allerjüngste, doch mit 29 Jahren immerhin fünf Lenze frischer als Bordon. Ob er genau so zuverlässig und verletzungsunanfällig sein kann, wird eine der zentralen Fragen der nächsten Monate sein. Eine Billig-Lösung ist Metzelder, der zwar ablösefrei kam aber rund 4 Millionen Euro verdienen soll, keinesfalls.

Ein Schnäppchen war Kyriakos Papadopoulos ebenfalls nicht. Der junge Grieche, über den ich bis auf ein paar Youtube-Schnipsel und seinen erstaunlich umfangreichen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag überhaupt nichts weiß, soll etwas mehr als 2 Millionen Euro gekostet haben – heißt es. Meldungen, nach denen “halb Europa” an dem 18-jährigen Talent interessiert war, ignoriere ich seit Jahren. Zu oft wurde dieses “Label” von tüchtigen Spielervermittlern vergeben und war deshalb selten ein Qualitätssiegel. Was mich positiv stimmt: Magath wird schon wissen, warum er die klamme Vereinskasse für den Youngster geöffnet hat. Was mich negativ stimmt: Bei Baumjohann und Holtby hatte Magath zuletzt ebenfalls bereitwillig in die Schatulle gegriffen…

Der dritte Neuzugang in der Abwehr ist – seien wir mal ehrlich – ein ebenso unbeschriebenes Blatt wie Papadopoulos: Atsuto Uchida, nicht spielender WM-Teilnehmer für Japan, soll mit seinen 22 Jahren ebenfalls hochtalentiert sein. Soll. Man weiß es einfach nicht. Die Ablösesumme soll übrigens knapp 1,5 Millionen Euro betragen haben. Soll. Denn auch das weiß man nicht genau.

Was ich weiß ist, dass Carlos Zambrano in der letzten Saison durchaus seine Bundesliga-Tauglichkeit unter Beweis gestellt hat. Ich sah ihn häufig sogar deutlich besser, als er von den Medien gemacht wurde und hätte mir gewünscht, dass er häufiger zum Zuge gekommen wäre. Wie dem auch sei: Carlos Zambrano – der Peruaner, der vom “Taxi-Fritze” auf Sky ganz gerne als “Der Italiener” bezeichnet wurde – hat sein Kapital Schalke offenbar beendet und wechselt auf Leihbasis für zwei Jahre zum FC St. Pauli. Angeblich soll er seinen Vertrag zuvor bis 2013 verlängert haben und so zumindest eine Hintertür für die Rückkehr offen gelassen haben.

Bliebe da noch der “verlorene Sohn” Tim Hoogland, der nach seinem Mainzer Intermezzo als gestandener Bundesliga-Profi und erfahrener Mannschaftskapitän wieder zurück zum Schalker Markt wechselt. Eine bemerkenswerte Personalie und ein echter ablösefreier Transfercoup, den Schalke schon früh in der vergangenen Spielzeit eingestielt hatte. Hoogland spielte zwei sehr gute Jahre in Mainz, bis er sich schwer verletzte und das Schlussdrittel der letzten Saison auf Krücken verbrachte. Nun scheint er wieder fit zu sein und gibt auch gleich die perfekte Identifikationsfigur. Von allen Neuen – Metzelder, Uchida, Papadopoulos – bereitet mir der variabel einsetzbare Hoogland das geringste Kopfzerbrechen.

Und was ist sonst noch los in der Defensive? Mineiro, der mit den Segelohren, ist wie erwartet schon längst wieder weg. Christian Pander, der “Funky Pee” aus Münster, ist leider und leider ebenso wenig überraschend mal wieder angeschlagen. Heiko Westermann verletzte sich im Nationalmannschafts-Trainingslager und befindet sich aktuell in der Reha. Rafinha kam diesmal nur ein paar Stunden zu spät aus dem Urlaub und steht nach wie vor im Schaufenster, dessen Scheiben aktuell allerdings sehr vergilbt zu sein scheinen. Zumindest – Stand heute – sieht es so aus, als würde er tatsächlich seinen Vertrag zur Gänze erfüllen. Sportlich ist das sehr zu begrüßen, finanziell ist es ein Desaster. Tore Reginiussen, einer von den gefühlt 100 Winter-Transfers, scheint gewogen und für zu leicht befunden worden zu sein. Gerüchte aus Gelsenkirchen besagen, dass Schalke für ihn schon längst wieder einen Abnehmer sucht.

Und dann ist da natürlich noch Benni Höwedes. Gott bewahre, dass an den Gerüchten um einen Abgang nach Hamburg, Wolfsburg oder Pusemuckel etwas dran ist. Höwedes ist DAS Schalker Abwehrkapital. Unbemerkt von weiten Teilen der Fußballöffentlichkeit hat er eine großartige Saison gespielt und stellt schon jetzt absolute Bundesliga-Spitze dar. Im Sinne des Vereins sollte Magath ihn schleunigst für ebenso unverkäuflich erklären, wie Manuel Neuer.

Fazit: So wie es aussieht, wird Schalke mit der Innenverteidigung Metzelder/Höwedes in die Saison starten. Auf den Außenbahnen stehen mit Rafinha und Hoogland ausgewiesene Fachkräfte bereit. Ushida und Papadopoulos dürften da zunächst nur eine Nebenrolle spielen und zusätzlich Probleme bekommen, wenn Heiko Westermann wieder zurückkehrt. Zwar ist mit Marcelo Bordon ein wichtiger Anker der letzten Jahre gegangen, ich denke dennoch, dass Schalke gerade in der Abwehr – beinahe schon traditionell – keine allzu großen Probleme bekommen sollte. Und falls doch, steht ganz hinten ja immer noch der Manu. Noch.

Fortsetzung folgt.

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11 Kommentare zu “Tage der Weichenstellung, Teil 1”

  1. Christianam 6. Juli 2010 um 08:51 1

    Farewell Marcello !

    Du hast Mittelfeld und Angriff vergessen oder für später aufbewahrt?!

  2. derwahrebaresiam 6. Juli 2010 um 11:48 2

    in der überschrift steht ja nicht umsonst, teil 1.
    „fortsetzung folgt“ könnte bedeuten, da kommt noch was … 🙂

  3. Matthiasam 6. Juli 2010 um 11:56 3

    Danke für die beistehenden Worte. Allerdings hat ja auch meine in der Luft zerissene „Knubbel-Schelte“ von gestern bewiesen, dass ich zwischen den Spielzeiten irgenwie nicht logisch denken kann 🙂

    Aber doch, da kommt natürlich noch was. Nur wann, das weiß ich noch nicht genau.

  4. christianam 6. Juli 2010 um 21:44 4

    Ihr habt ja Recht, lesen hilft!
    Vielleicht kommt im Sturm ja noch was……
    Aber ich denke das Mittelfeld steht soweit.

  5. Chrisam 15. Juli 2010 um 23:26 5

    So langsam habe ich das Gefühl, dass unser Trainager Magath von seiner Art Kohle für alle möglichen Mittelklasse-Leute rauszuhauen doch eher zum HSV passen würde.
    Wie beim HSV frage ich mich bei unserem Verein: wie soll das auf Dauer gut gehen?

    Es wird böse enden…

  6. Supercliveam 16. Juli 2010 um 09:52 6

    Ich bin auch ein wenig „verwirrt“ über die Äußerungen von Felix. In der letzten Winterpause hat er verkündet, dass die neuen Spieler (Ibraimi, Gavranovic, Hao, Reginiussen, Baumjohann, Kluge, Edu) als Vorgriff auf die neue Saison gekauft wurden. In der Sommerpause erklärt er widerrum, dass mit dem Spielermaterial maximal ein Mittelfeldplatz drin ist und jetzt mal richtig investiert werden müsste. Irgendwas passt doch da was nicht, oder?
    Auf der anderen Seite kann man immer wieder beobachten, dass Mannschaften, die in einer Saison über ihre Verhältnisse gespielt haben (WOB, Hoffenheim) in der folgenden Saison abstürzen. Wenn er diesem Trend entgegen wirken möchte, insbesondere mit der zusätzlichen Belastung der Championsleague, dann kann ich verstehen, wenn jetzt Namen wie Raul und Misimovic gehandelt werden.
    Ich fürchte allerdings, dass gerade die jungen Spieler, die uns in der letzten Saison ein wenig das Gefühl des „alten“ Schalke wieder zurückgegeben haben (Schmitz, Moritz, Matip), hinter den teuren Stars wieder ins 2. Glied zurücktreten werden. Und was passiert mit denen, die aus der Verletzungspause wieder zurückkommen (Jones, Kenia, Pander)?
    Hoffentlich überdreht Felix das Rad nicht, schließlich ist der Verein finanziell nicht so kerngesund, dass wir jedes Experiment unbeschadet überstehen würden. Ich habe ja noch die stille Hoffnung, dass er weiß was er tut, aber wohl ist mir dabei nicht… GLÜCK AUF!

  7. Dirkam 19. Juli 2010 um 12:00 7

    …“das Rad überdrehen“ ist offensichtlich nun passiert. Lese gerade die Meldung (bei n-tv), daß Heiko Westermann zum HSV geht. Nun ist die nächste Identifikations-Figur weg ! Schade Felix !!!

  8. Chrisam 19. Juli 2010 um 12:53 8

    Ich orakelte ja schon, es wird böse enden…
    7,5Millionen soll es geben. Die Kohle geht dann komplett an Raul und unsere Innenverteidigung wird sicherlich mit einem unbekannten 2Millionen-Schnäppchen aufgefüllt… Ich komme leider aus dem dauernden Kopfschütteln nicht mehr raus.

  9. derwahrebaresiam 19. Juli 2010 um 20:06 9

    in diesem konkreten fall bin ich nicht pessimistisch.
    die innenverteidigung ich m. e. nach wie vor gut besetzt.
    für die kohle würde ich ihn auch ziehen lassen.
    es bleibt zu hoffen, dass sie vernünftig investiert wird.

  10. Löbbiam 22. Juli 2010 um 09:06 10

    Ich glaube es wäre auch nicht dumm gewesen den Fährmann zu behalten und ( auch wenn mein Herz bluten würde ) Manu zu verkaufen.
    Mit ein bisschen Verhandlungsgeschick wären da doch locker 25 – 30 Mio drin.
    Dann könnte mann ohne Finanzielles Risiko in die Mannschaft investieren.
    Plus Champions Leauge Gelder währe dann so einiges machbar gewesen.

  11. derwahrebaresiam 22. Juli 2010 um 18:10 11

    @löbbi

    die kohle für den schnapper würde man auch nach dieser saison noch bekommen, so man ihn nicht evtl. 2012 ablösefrei ziehen lassen will/muss.
    mit unnerstall hat der felix ja schon vorgebaut !