Nichts macht Sinn – niemals!

01. Apr. 2011 | 4 Kommentare

Ralf Rangnick wurde am 29. Juni 1958 geboren. Seit 1983 steht er als verantwortlicher Trainer nahezu ununterbrochen an der Seitenlinie eines Fußballfeldes. Man kann also davon ausgehen, dass er bereits einiges im Fußballgeschäft mitgemacht hat. Gestern jedoch hatte man den Eindruck, er stehe zum ersten Mal auf der großen Fußballbühne. Denn er bestand in der Vorspiel-Pressekonferenz zum Abstiegskampf-Duell beim FC St. Pauli gleich mehrfach darauf, „so etwas noch nie erlebt zu haben“. Kein Mannschaftsarzt, der während der Trainingseinheiten auf dem Vereinsgelände ist? „Eine Situation, die ich bislang so noch nicht kannte!“ Gruppen- statt Einzelsprachunterricht für Spieler, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind? „Dass man das so macht, wusste ich bisher nicht!“ Ein Trainingsplatz, der nach einem langen Winter nicht mehr aussieht wie das Putting Green eines Golfplatzes? „Nie erlebt!“

Ralf Rangnick ließ keinen Zweifel daran, dass auf Schalke nun ein anderer Wind wehen soll. Doch anders als Felix Magath vor knapp zwei Jahren positionierte sich Rangnick gestern nicht als derjenige, der die Strukturen mit Gewalt aufbrechen möchte. Stattdessen strebt er kleine, zielgerichtete Veränderungen an. Sogar mit dem Platzwart habe er gesprochen, um sich dessen Kosten- und Heilungsplan zum Rasen einzuholen. Es menschelt wieder auf dem Berger Feld. Wie schön.

Das spüren auch die Spieler – zumindest wenn man Rangnicks Worte als Maßstab nimmt. Den unter Magath verbannten Alexander Baumjohann lobte der neue Chef als einen außerordentlich talentierten Spieler und stellte ihm einen Einsatz heute Abend in Aussicht. Doch generell seien ihm alle Spieler wichtig. Nicolas Plestan beispielsweise sei ein „richtig, richtig guter Junge“, der sich als charakterlich tadellos erwiesen habe. Einzig Albert Streit wollte Ralf Rangnick nicht am Kuschelkurs teilhaben lassen. „Er spielt seit zwei Jahren mit der U23 in der Regionalliga. Nichts gegen diese Liga, aber ihn zurück zu holen macht keinen Sinn!“

Ralf Rangnick war gestern weniger Professor, mehr Menschenflüsterer. Natürlich hat er sich inszeniert. Natürlich hat er genau die Signale an die Öffentlichkeit gesendet, die er senden wollte. Trotz all‘ der vielen kleinen Spitzen gegen Magath versäumte er es nicht, ihn fast verständnisvoll für seine Leistungen zu loben. Die Pressekonferenz war ein Ritt auf der Rasierklinge. Einerseits musste Rangnick deutlich machen, warum er jetzt die richtigere Wahl als sein Vorgänger ist. Andererseits musste er natürlich auch die von Peter Neururer beschworene Übungsleiter-Ethik beachten, die besagt, dass kein Trainer dem anderen etwas Böses will. Alles in allem gelang ihm dieser Ritt, auch wenn er manchmal von der Rasierklinge abrutschte und neu aufsteigen musste.

Die mit mehr als 30 Minuten sehr lange Pressekonferenz gibt es bei Mypott-TV. Wer sich das Video anschaut, darf dann auch gleich mitzählen, wie oft Ralf Ragnick die Formulierung „Es macht Sinn“ bzw. „Es macht keinen Sinn“ benutzt. Ich bin der Letzte, der sich über die Beugung der deutschen Spache aufregt, doch bei der wörtlichen (und falschen) Übersetzung von „It makes no sense“ stellen sich mir die Haare hoch. Das tut mir nicht gefallen!

Nachtrag: Wenn sich Torsten Wielands „Einwechselspieler-Raten“ unter Rangnick als nicht mehr ganz so kurzweilig herausstellen sollte wie unter Magath, schlage ich ein „Es macht Sinn-Raten“ vor. Mein Tipp: in der Pressekonferenz vor dem Wolfsburg-Spiel exakt 17 Mal.

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Foto: jmm-hamburg@flickr

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4 Kommentare zu “Nichts macht Sinn – niemals!”

  1. Dafeldam 1. April 2011 um 10:05 1

    Natürlich inszeniert sich Rangnick. Trotzdem finde ich, dass bei Felix Magath die Inszenierung wesentlich stärker im Vordergrund stand. Bei Magath hat man den Eindruck, dass selbst die Trainingsmethoden zur Inszenierung gehören (Stichwort: Medizinbälle).
    Sprachlich bin ich ganz bei Dir. Max Goldt hat schon vor sehr langer Zeit darauf hingewiesen, dass im Deutschen etwas „Sinn ergeben“ kann, aber nicht „Sinn machen“.

  2. Uweam 1. April 2011 um 10:12 2

    Darum liebe ich auch die neue Generation der Fußballkommentatoren so, die uns immer sagen müssen, wie lange in einem Spiel noch zu g e h e n ist…..

  3. Carlitoam 1. April 2011 um 16:22 3

    Habe mir die PK gestern auch auf mypott angeguckt und muss sagen, dass mir das Auftreten und die Aussagen von Ralf Rangnick gefallen haben.

  4. matthiaßam 28. April 2011 um 06:13 4

    Auf die Frage, ob nach dem Spiel der Transfer von Nürnbergs Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan zum BVB bekanntgeben werde, sagte Hecking: „Das würde Sinn machen, warum soll man vor dem Spiel alles bekanntgeben?“
    D. H. bei Westfalenpost vom 27.4.2011