Alle Jahre wieder: Camping vs. Session Error Terror

13. Jul. 2011 | 7 Kommentare

Schalke Fanclub Monasteria
Alle Jahre wieder spielen sich auf Schalke etwa einen Monat vor dem Saisonbeginn dieselben Szenen ab: Der Fußweg zur Geschäftsstelle wird für eine Nacht zum wilden Campingplatz, der Server der Kartenagentur „Ticket & Secure“ bricht zusammen, die Tickethotline meldet ein Dauer-Besetztzeichen. Das Ganze nennt sich dann „Mitgliederaktion“ und bietet für viele Fans die einzige realistische Möglichkeit, an Karten zu bezahlbaren Preisen für attraktive Bundesligaheimspiele zu gelangen. Die einzige Voraussetzung ist, dass man Vereinsmitglied ist. Hat man die 50 Euro Mitgliedsgebühr brav entrichtet, winkt als Belohnung eine Nacht unter freiem Himmel gefolgt von einem Vormittag im Pinguinschritt oder ersatzweise Frust Beim „Session Error Terror“. Darüber kann man sich ärgern – oder man kann sich damit abfinden und das Beste aus der Situation machen. Ich habe mich vor Jahren schon für die zweite Option entschieden und nehme am Massencamping in Gelsenkirchen teil.

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Aus dem Büro direkt ins Auto und dann ab nach Gelsenkirchen: Gegen 18:30 Uhr schlugen wir unser Basislager vor der Geschäftsstelle auf. Vor uns warten bereits (handgezählte) 80 Mitglieder, die sich ebenfalls häuslich eingerichtet hatten.

 

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Der lustige Teil des Abends: Viele nette Gespräche, ein paar Bier und gemeinsames Grillen.

 

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Der zermürbende Teil der Nacht: Ein verzweifelter Versuch, irgendwie eine Mütze Schlaf abzubekommen. Gar nicht so einfach in unbequemen Faltstühlen (welcher Sadist hat sich die Dinger eigentlich ausgedacht?) und unter ständiger Begleitung stechenden Ungeziefers.

 

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Mein Mitternachtsspaziergang führte mich auch vorbei an der Spitze der Schlange. Die hier campierenden Mitglieder sollen dem Vernehmen nach ihr Lager bereits am Sonntagabend aufgeschlagen haben. Da geht es dann wohl doch eindeutig mehr um das Event als um den Zeitgewinn von etwa einer Stunde am Tag der Mitgliederaktion.

 

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Dienstag, 5:30 Uhr morgens. Irgendwie habe ich es doch geschafft, für ein paar Minuten die Augen zuzumachen. Die jugendliche Gruppe direkt vor uns hat es über Nacht ordentlich krachen lassen. Aber – und das möchte ich besonders herausheben – nahezu jeder Camper hinterließ seinen Platz aufgeräumt und vom Müll befreit.

 

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Die Zelte sind abgebaut. Etwa zwei Stunden vor der Öffnung der Geschäftsstelle rückt die Schlange enger zusammen. Erst jetzt wird deutlich, wie viele Fans hier tatsächlich die Nacht verbracht haben. Meine grobe Schätzung kommt auf etwa 500 Hartgesottene. Inzwischen treffen auch die ersten „Tageswarter“ ein, die die Nacht im eigenen Bett verbracht haben, und reihen sich hinten ein. Das Catering-Team des FC Schalke hat die Arbeit ebenfalls aufgenommen und versorgt die Wartenden ab etwa 7:00 Uhr morgens mit Kaffee (1,50 Euro) und Frikadellenbrötchen (2,00 Euro). Natürlich hat sich auch in diesem Jahr kein einziger Offizieller des Vereins in der Nacht auf dem „Campingplatz“ blicken lassen. Es ist einfacher, auf der JHV unter dem Druck anstehender Wahlen Reden vom „Zusammenwachsen des Vereins“ zu schwingen als eine Stunde Zeit nach Feierabend für die Fans zu opfern. Mit dieser Diskrepanz zwischen den Worten und Taten unserer Vereinsoberen habe ich mich schon vor langer Zeit abgefunden.

 

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Aus den etwa 80 Personen, die am Vorabend vor uns warteten, sind mittlerweile gut 130 geworden. Es gilt das ungeschriebene Gesetz, dass zu jeder Campinggruppe auch ein paar „Tageswarter“ hinzustoßen dürfen. Hauptsache niemand übertreibt es mit dem Personenzuwachs. Um kurz vor 9 Uhr durchbricht ein Knall aus Richtung der Geschäftsstelle das Gemurmel. Einige scherzen: „Da ist der ‚Ticket & Secure‘-Server geplatzt!“

 

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Im Pinguinmarsch arbeitet man sich voran. Alle paar Minuten werden etwa zehn Fans in die Geschäftsstelle vorgelassen. Gegen 10 nach 10 habe ich mich in die Pole Position vorgearbeitet.

 

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10:16 Uhr – ich habe das Zentrum der Kartenmacht erreicht! Es herrscht beinahe andächtige Stille. Die Damen der Geschäftsstelle arbeiten freundlich und konzentriert die Bestellungen ab.

 

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10:24 Uhr – es ist vollbracht! In meinen Händen halte ich als Lohn der Nacht 8 Nordkurven-Tickets. Vier davon durfte ich auf meinen Namen kaufen, weitere vier wurden im Auftrag meiner Frau Sarah erworben. Mehr geht nicht. Eine persönliche Bestellung, ein Kauf mit Vollmacht – so lauten seit ein paar Jahren schon die bewährten und allseits akzeptierten Spielregeln.

Es ist auch das letzte Mal, dass ich diese Karten zu Gesicht bekomme. Nur Sekunden nach dem kleinen Triumph liefere ich sie pflichtbewusst beim Vorsitzenden unseres Fanclubs ab. Denn eigentlich bin ich gar nicht auf die Mitgliederaktion angewiesen. Ich habe seit mehr als 15 Jahren eine Dauerkarte und auch Sarah ist bestens mit einem Saisonticket versorgt. Mit den im Rahmen der Mitgliederaktion erwobenen Karten versorgen wir im Fanclub stattdessen diejenigen treuen Fans, die nicht das Glück einer Dauerkarte haben. Denn entgegen anderslautender und sehr hartnäckiger Gerüchte ist es nicht so, dass es ausreicht, einen Fanclub zu gründen, um sich nach Herzenslust an der Ticketquelle des SFCV laben zu können. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Geschichte ist für mich auch die Mitgliederaktion 2011. In den nächsten zwölf Monaten werde ich wieder ausreichend Gelegenheit haben, mir rationale Begründungen dafür auszudenken, warum ich keine Lust mehr darauf habe, einen Urlaubstag zu opfern, um Fanclubmitgliedern den Stadionbesuch zu ermöglichen. Und dann werde ich mich doch wieder breitschlagen lassen. So wie jedes Jahr.

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7 Kommentare zu “Alle Jahre wieder: Camping vs. Session Error Terror”

  1. derwahrebaresiam 13. Juli 2011 um 07:36 1

    ich hatte das glück, relativ früh (gegen 18 uhr) online bestellen zu können.
    eine nacht zu zelten kommt für mich nicht in frage.

  2. Benjaminam 13. Juli 2011 um 13:01 2

    Ich hatte Glück, dass es in der Uni ein so gutes und scheinbar sehr durchsetzungsfähiges Netzwerk gibt. Mittags gegen 12 hab ich mich eingeloggt und auch Köln und Dortmund erstanden, daher musste ich beim letzten Foto schmunzeln. 😉

  3. nedfulleram 13. Juli 2011 um 13:51 3

    Respekt!
    Das alles auf sich nehmen und dann noch nicht mal für einen selber: Respekt!

    Aber: Darfst du die Karten denn einfach so weiter geben? Bei uns ist das verboten.

  4. derwahrebaresiam 13. Juli 2011 um 13:59 4

    auf schalke sind die tageskarten nicht personalisiert.
    ist das in hamburg anders ?

  5. Matthiasam 13. Juli 2011 um 14:34 5

    Die Karten dürfen weitergegeben werden, sonst wäre es ja Unsinn, dass Schalke seinen Mitgliedern die Möglichkeit gibt, mehrere Karten für ein Spiel zu kaufen. Aber du sprichst hier natürlich ein heißes Eisen an: Wie verhindert man, dass die Tickets auf Umwegen doch bei ebay oder auf dem Straßenschwarzmarkt landen. Ich gehe darauf mal etwas ausführlicher ein.

    Bei uns im Fanclub haben wir dafür einen sehr bürokratischen aber auch sehr sicheren Weg gefunden.

    1) Karten gibt es nur für Mitglieder im Fanclub, die auch mit uns im Bus zu Spielen fahren.

    2) Die Karten werden erst am Spieltag nach Ankunft in Gelsenkirchen durch unseren Fanclub-Präsi ausgegeben. Oftmals erfolgt die Übergabe sogar erst direkt vor dem Stadiondrehkreuz.

    3) Jede Karte ist über ihren Zahlencode innerhalb des Fanclubs registriert. Jeder, der eine Karte erhält, unterzeichnet vorher eine Übernahmeerklärung, in der er sich dazu verpflichtet, die Karte ausschließlich selbst zu nutzen. Sollte dann doch eine Karte auf dem Schwarzmarkt auftauchen, wissen wir sofort, wer diese Karte im Bus erhalten hat und für einen Missbrauch gerade stehen muss.

    Insbesondere Schritt 3 gilt für alle Fanclub-Mitglieder, also auch für die, die seit 10 Jahren und länger mitfahren. Da werden aus Gründen der Gleichstellung keine Ausnahmen gemacht. Schon eher ein Auge zudrücken kann man bei derart langjährigen Mitgliedern bei Punkt 2. Die bekommen ihre Karte manchmal schon während der Busfahrt – aber auch sie haben das Ticket keine einzige Sekunde vor der Abfahrt des Busses in der Hand. Und erst recht haben sie die Tickets zu keinem Zeitpunkt zu Hause bei sich herumliegen. Die Tickets liegen grundsätzlich nur bei unserem Fanclub-Präsi und dort sogar – nicht lachen – in einem Mini-Tresor.

    Dieses Vorgehen (Abgabe nur gegen Übernahmeerklärung und nur direkt vor dem Spiel) ist mit dem Fanclub-Bezirk abgesprochen und wird vom SFCV auch empfohlen. Das hört sich jetzt alles natürlich sehr aufwändig und auch misstrauisch an, aber anders geht es nunmal nicht.

    Auch geht es nicht, dass wir als Fanclub auf die Teilnahme an der Mitgliederaktion verzichten. So ein angemieteter Fanbus kostet Geld und muss finanziert werden. Das geht zu vernünftigen Preisen pro Mitfahrer nur, wenn man ausreichend Mitfahrer hat. Damit Leute mitfahren, müssen sie aber eine Karte haben. Und deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als auch diesen Weg zu nutzen. Denn bei uns im Fanclub hat leider noch nicht einmal jeder zweite regelmäßige Mitfahrer eine Dauerkarte. Nicht weil diese Mitglieder keine DK haben wollen, sondern weil es keine Dauerkarten im freien Verkauf gibt.

    Sollte es trotz der allgemein großen Nachfrage aber doch mal vorkommen, dass der Fanclub Karten zu viel hat (z.B. weil ein angemeldeter Mitfahrer krank geworden ist), werden diese Karten auf gar keinen Fall auf dem Busparkplatz an dort wartende Fans abgegeben, auch wenn die noch so treu kucken und noch so lieb fragen. In diesem Fall existiert für uns nur die Möglichkeit, die Karten dem FC Schalke 04 in Kommission zu übergeben. Sollten die Karten dann an den Kassenhäuschen kurz vor dem Spiel noch verkauft werden, erhält der Fanclub ein paar Wochen später eine Gutschrift in Höhe des Kartenpreises abzgl. einer Bearbeitungsgebühr.

    Wie gesagt: Das ist alles hochbürokratisch und mit dreifachem Fangnetz versehen, aber so sind nunmal die Spielregeln. Gäbe es diese Spielregeln nicht, wäre ich auch nicht bereit, meine Karten und die meiner Frau der „Allgemeinheit“ zu spenden. In der letzten Zeit gab es einige Fanclubs, die das nicht ganz so eng gesehen und die Tickets vor der Saison schon ausgegeben haben. Und prompt tauchten deren Karten bei ebay auf und wurden von Scheinkäufern des FC Schalke erworben. Diese Fanclubs sind jetzt zum Teil für mehrere Heimspiele gesperrt worden. Ich bin froh, dass wir als münsterscher Fanclub alle Register gezogen haben, um das zu vermeiden.

  6. Otto Redenkämperam 13. Juli 2011 um 19:32 6

    Kerr, datt nenn ich ma Einsatz. Glückwunsch, datte en paar ordentliche Karten ergattert hass. Un datt du die au noch alle weiter gibs, datt is aller Ehren wert. Da kann ich nur mein Hut vor ziehn, hass auf jedn Fall en paar schön Bilderkes gemacht. Un ich verweis getz hier au nich auf mein Internet-Block, wegn Werbung, verstehse 🙂 Glück Auf! Otto

  7. Treuer als neueram 14. Juli 2011 um 08:47 7

    Ach wärst du doch geblieben. DAS hast nicht einmal MN verdient!
    http://www.schickeria-muenchen.org/index.php?id=38&tx_ttnews%5Btt_news%5D=228&cHash=ab92c6ced49ff92190caa58b9e168429