Geben und Nehmen

05. Okt. 2012 | 8 Kommentare

In ihrer Urform hatte die Schalker Hymne fünf statt vier Strophen und propagierte „Blau und Weiß, verlass‘ mich nicht“, statt des heute üblichen „Blau und Weiß, verlass ich nicht.“

So steht es auf Seite 41 des aktuell umfangreichsten S04-Nachschlagewerkes „Glaube, Liebe, Schalke“ von Hardy Grüne (Rezension folgt). Aber ist das auch so? Singt tatsächlich jemand „Blau und Weiß, verlass‘ ich nicht“? Selbst die Vereinswebsite führt die – laut „Glaube, Liebe, Schalke“ – Urform auf. Kennt jemand unser Vereinslied tatsächlich in der Fassung „Verlass‘ ich nicht?“

Bitte nicht falsch verstehen. Ich möchte hier nicht mit den nackten Finger besserwisserisch auf Hardy Grüne und seine Co-Autoren, die ich zum großen Teil persönlich kenne und sehr schätze, zeigen. Das ist kein „Ätsch – ich habe einen Fehler gefunden!“ Es ist nur eine Frage, ob ich vielleicht tatsächlich in Punkto Vereinslied nicht mehr auf dem aktuellen Stand bin.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir auf, dass „Verlass‘ mich nicht“ und „Verlass‘ ich nicht“ zwei grundverschiedene Dinge sind. Das eine ist eine Bitte, das andere ein Versprechen. Ein einziger Buchstabe macht aus Abhängigkeit eigene Stärke, aus einem verzweifelten Ruf eine selbstbewusste Ankündigung. Schon merkwürdig, was so ein „m“ alles anstellt.

„Blau und Weiß, verlass‘ mich nicht“ oder „Blau und Weiß, verlass‘ ich nicht“. Ganz ungeachtet dessen, ob Hardy Grüne hier vielleicht ein Fehler unterlaufen ist oder ich nicht Up-to-Date bin. Ãœber den kleinen Unterschied und was er bedeutet darf man gerne auch mal etwas länger als eine Halbzeitpause lang nachdenken – um dann wieder gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Morgen Wolfsburg!

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8 Kommentare zu “Geben und Nehmen”

  1. Timam 5. Oktober 2012 um 08:25 1

    Ich bin echt erstaunt. Dieses „Blau und Weiß, verlass‘ ich nicht“ habe ich noch nie gehört, geschweige denn irgendwo gelesen.

  2. Daniel Ku.am 5. Oktober 2012 um 09:44 2

    Wie sehr stellt dieser einzelne Buchstabe unsere derzeitige Situation dar!! Für mein Empfinden zumindest.
    Die eine Seite, die „verlass‘ ich nicht“ singt, die die Mannschaft bedingungslos auch dann noch supporten, wenn der 28ste Querpass gespielt wird und der x-te Abschlag ins Aus geht, und die andere Seite, die „verlass‘ mich nicht“ singt und die es, auch während des Spiels lauthals propagieren. Denn anders kann man Unmutsbekundungen ja nicht deuten, denn wenn Schalke diesen Leuten egal wäre, würden sie ja nicht pfeifen. Denn sie wären ja dann garnicht anwesend.

  3. Herr Wielandam 5. Oktober 2012 um 09:49 3

    Ich singe, wie mir geheißen, so auch mein Sohn.
    http://www.schalke04.de/verein/portraet/vereinslied.html

    Und „verzweifelter Ruf“ passt auch viel besser zu uns als „selbstbewusste Ankündigung“.

  4. Herr Wielandam 5. Oktober 2012 um 09:50 4

    .. äh, zu uns Schalkern meine ich, nicht nur zu mir und meinem Sohn 😉

  5. Philam 5. Oktober 2012 um 17:28 5

    Wird denn nirgendwo in dem Buch eine Quelle für die neue Version angegeben? Ich hab‘ das so auf jeden Fall noch nie gehört…

  6. hellwacham 8. Oktober 2012 um 11:51 6

    Spontan habe ich gedacht, „das hätte mein Vater mir erzählt, das kann im besten Fall vor dem Krieg gewesen sein“. Nach kurzem googlen bin ich auf diese Seite gestoßen, die zwar keine Daten und Quellenangaben enthält, deren Adresse mir allerdings unverdächtig mit Blick auf mögliche Manipulation erscheint.
    http://www.volksliederarchiv.de/text4425.html

  7. Matthiasam 8. Oktober 2012 um 13:03 7

    Hellwach, danke für den Link.

    Alles in allem wird es wohl so sein, dass dem Lektorat des Werkstatt-Verlages hier einfach ein Fehler durchgerutscht ist und „Verlass‘ mich nicht“ irrtümlich der „ursprünglichen Version“ zugeordnet wurde, obwohl es offensichtlich genau umgekehrt ist. So ein Fehler kann vorkommen, gerade bei einem mehrere Hundert Seiten starken Nachschlagewerk.

    Ganz abgesehen davon ist unser Vereinslied ja ohnehin nur eine mehrfach veränderte Abwandlung des im 18. Jahrhundert von Ludwig von Wildungen verfassten Jägerliedes „Lob der grünen Farbe“ (auch bekannt als „Grün ach Grün“). Viele andere Vereine haben es dem FC Schalke gleich getan, beispielweise der SV DJK Unterspiesheim, der SV Förste oder die TuS Langenfeld.

  8. hellwacham 8. Oktober 2012 um 21:43 8

    Ãœbrigens, ich habe es vom ersten Augenblick an so aufgefasst, dass ich mich in „Blau und Weiß“ verliebt habe. Das Flehen „..verlass mich nicht..“ war für mich zu jeder Zeit selbstverständlich ein Appell an das/die Geliebte. Denn ich werde ja, ob vergreise, ob verkalke, diese Legende lieben bis an mein Ende. 😉

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