Ist Dortmund eine Reise wert?

22. Okt. 2012 | 4 Kommentare

Nach längerer Pause hat sich Bene (bei Twitter als @schalkerfuchs aktiv) mal wieder dazu durchgerungen, einen Gastartikel zu schreiben. Hier sind seine Erlebnisse vom Derby in Dortmund, dem er am Samstag beiwohnte. Dabei legte er den Fokus nicht auf das Spiel, sondern auf das Drumherum. Sämtliche Fotos lassen sich per Mausklick vergrößern.

Das Revierderby ist immer ein besonderes Spiel, bei dem die Rivalität von Schalke und Dortmund ihren Siedepunkt erreicht. Ich habe schon viele Derbys gesehen, bisher allerdings nur auf Schalke. Bis jetzt hatte ich mich standhaft geweigert, das Spiel im Signal Iduna Park zu besuchen, auch weil ich nicht bereit war die aufgerufenen Preise inklusive Topzuschlag der Schwarz-Gelben zu bezahlen. Diese Saison habe ich mich entschieden doch mal hinzufahren und mir das deutsche Clasicó im gegnerischen Stadion anzuschauen. Was mich dann inklusive aller Gebühren 46€ für einen Sitzplatz im Oberrang kostete, aber sich in Hinsicht auf den Auswärtssieg dann doch gelohnt hat.

Die Fahrt ging gegen viertel nach Zwölf in Münster los, wo wir vom schon gut gefüllten Bus des Schalke Fanclubs aus Wettringen abgeholt wurden. Diese hatten zuvor schon die Schalker aus Emsdetten eingeladen, zudem waren noch einzelne Mitglieder anderer Fanclubs dabei. Somit war unsere Tour beinahe eine Bezirksfahrt. Interessanterweise hatten die Wettringer übrigens einen Linienbus des RVM zu bieten, während wir normalerweise mit einem Reisebus unterwegs sind. Der Nähe der Gastgeber zum Stammsitz einer regionalen Brauerei geschuldet war auch die Getränkeauswahl: so war der Bus reichlich mit Rolinck Pilsener befüllt. Dies ist nicht meine favorisierte Marke, allerdings störte mich dies auch nach kurzer Zeit nicht mehr, war doch zum Fahrtpreis gleich noch eine Getränke-Flatrate hinzu zu buchen. Das animiert ja dann gerne auch mal diese auszunutzen, stellt dich als Fan, der auch das Spiel noch aktiv erleben möchte, allerdings vor die Aufgabe, den Bierkonsum entsprechend zu steuern.


Die Fahrt zum Stadion verlief ohne besondere Vorkommnisse. Weder wurden wir auf der Autobahn attackiert und ausgebremst, noch gab es auf den Raststätten irgendwelche Zusammenstöße mit gegnerischen Fans. Auch wenn man hierüber neuerdings ständig in der einschlägigen Presse liest, scheinen solche Vorfälle doch nicht an der Tagesordnung zu sein. Das einzig Nervige war der Stau, wenn man über die B1 anreist. Ob es noch andere Wege gibt, weiß ich nicht, aber man sollte auf jeden Fall einen Zeitpuffer für diese Strecke einplanen; da wir diese hatten, war es auch unproblematisch. Gegen 14:30h erreichten wir den Parkplatz, der in erster Linie für die Gäste vorgesehen war.

Ich schreibe mit voller Absicht „in erster Linie“, da auch hier schon etwas losging, dass ich in dieser Dimension nicht erwartet hätte. Vor allem nicht, wenn man vorher überall von Sicherheitskonzepten etc. gehört und gelesen hat. Schon auf dem Gästeparkplatz standen zahlreiche PKW der Heimfans. Zwischendurch flanierten versprengte Ordner, die kaum etwas hätten ausrichten können, wäre es zu Zusammenstößen gekommen. Vom Parkplatz geht es eine Wendeltreppe hoch zur Brücke über die Ardeystraße. Schon hier treffen sich die Schalker, die von den Bussen kommen mit vielen Gelben, die aus dem angrenzenden Wohngebiet kommen.

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Nun geht es weiter in Richtung Bahnstation, wo die Schalker durch einen Tunnel die Bahn unterqueren müssen. Die Zuwegung ist durch die Polizei abgesperrt, so dass nur Schalker, die aus einer bestimmten Richtung kommen, den Tunnel nutzen können. Wer – wir ich – vom Busparkplatz kommt, wird auch ganz klar als Schalker erkennbar nicht durchgelassen. Da die Absperrung mittels dicht geparkter Polizeiwagen allerdings kleine Lücken aufwies, konnte ich mich durchschmuggeln. Schön war nun, dass oberhalb der Treppe, die zum Tunnel führt, am Geländer reichlich Dortmunder standen, die sich das Spektakel der Schalker anschauten, wie sie in Richtung Stadion geleitet wurden. Das Ganze hatte was von Zoo, mit uns Schalkern als wilde Tiere, die von den Gelben mit großen Augen beobachtet wurden. Es fühlte sich irgendwie komisch an. Zudem hätten die Gelben von der erhöhten Position locker Gegenstände werfen können oder ähnliches. Zum Glück war davon nichts zu bemerken, als ich dort vorbeikam. Im Sinne eines guten Sicherheitskonzeptes stelle ich mir das aber auch anders vor.

Nachdem nun die „Trennung“ bis hierhin so gut funktioniert hatte, kamen nach der Unterführung alle Fanströme auf dem letzten Stück zum Stadion komplett zusammen. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet: es bestand eine komplette Durchmischung von Blau und Gelb, sie nutzen die gleichen Wege, die gleichen Eingänge. Dass es hier zumeist nur zu verbalen Scharmützeln gekommen ist, halte ich für sehr bemerkenswert. So habe ich auf Schalke noch kein Derby erlebt. So habe ich auf Schalke überhaupt noch kein Spiel erlebt. In den von Schalkern benutzten Bereichen finden sich zwar auch  mal einzelne Gästefans, aber in so einem Ausmaße habe ich das bei uns nie gesehen.

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Nun ging es an die Einlasskontrolle. Da habe ich im Vorfeld mit vielem gerechnet. Nur nicht damit, dass ich genauso lasch gefilzt wurde, wie als Heimfan in der Arena. Auch der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes war recht freundlich. Wobei ich mal betonen muss, dass ich auch immer sehr freundlich und respektvoll auf die Sicherheitsleute zugehe, und dies scheinbar seine Wirkung nicht verfehlt. Natürlich bin ich immer erfreut über freundliche Ordner, weil dies heutzutage keine Selbstverständlichkeit ist – man blicke zum Beispiel nach Hannover – aber beim Derby hätte ich schon mit stärkeren Kontrollen gerechnet. Ich hätte locker Bengalos oder ähnliches reinschmuggeln können, ohne dafür größere Anstrengungen unternehmen zu müssen. Die Ultras waren dazu scheinbar auch in der Lage und haben zu Spielbeginn mit Bengalos und Rauchtöpfen die Kurve eingenebelt. Zum meinem Glück zog der Rauch allerdings in meine entgegengesetzte Seite ab.


Der anstrengendste Teil folgte nach dem Einlass: da ich die günstigste verfügbare Kategorie (41,50€ + VVK und SFCV-Gebühr insg. 46€) einer Sitzplatzkarte hatte, musste ich den Aufstieg in das oberste Stockwerk hinnehmen. Ein bisschen schwer atmend erreichte ich schließlich Block 75. Das Erste, was ich sah, war dass auch im Vorraum vor den Blockeingängen ein blau-gelb gemischtes Publikum rumlief. Blau-gelb an den zwei  Bierzapfstellen, die aus einem Mitarbeiter mit Bierfass und manueller Zapfvorrichtung bestand. Blau-Gelb an den zwei Bratwurstbratereien mit jeweils einem Mitarbeiter. Blau-Gelb auf den Toiletten… auf denen es übrigens recht fix ging, weil sie ausreichend dimensioniert waren. Ganz im Gegensatz zu den Einrichtungen zur Versorgung mit Speis und Trank; die vier Mitarbeiter, die den ganzen Ober-Oberrang mit Pils und Wurst versorgen sollten, waren eindeutig zu wenig. Für ein Bier konnte man selbst während des Spieles locker 10 Minuten anstehen, vorher und in der Halbzeit noch deutlich länger. Positiv zu erwähnen ist, dass es Vollbier gab. Allerdings war es Brinkhoff’s. (Kleine Anekdote: vor dem Spiel konnte ich jemanden der vorne in der Reihe stand, überzeugen, mir ein Bier mitzubringen, indem ich erzählte, dass ich keine Zeit habe, mich lange anzustellen, weil ich noch viele Photos für schalkefan.de machen müsste. Aber dringend Bier bräuchte. Was auch beides stimmte. Also: Danke noch mal an den freundlichen Bierwartezeitverkürzer, falls du das hier liest!)

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Im Block dann endlich zum ersten Mal seit dem Verlassen des Busses alle in Blau. Eine Wohltat für Gemüt und Auge. Naja gut, außerhalb des Schalker Blockes war alles in Sichtweite eher in Gelb und Schwarz gehalten, aber zumindest nicht in meiner direkten Nähe. Auch die „gelbe Wand“ mir gegenüber bot einen imposanten Anblick. Dennoch war ich von ihr ein wenig enttäuscht. Bei der Begrüßung durch den unsäglichen Stadionsprecher schrien sie ein lautes „Hey“, schon vergleichbar mit der Lautstärke der Nordkurve. Aber der Support während des Spieles ließ meiner Meinung doch zu wünschen übrig. Es hatte was von „you only sing, when you’re winning“ – gerade in einem Revierderby hätte ich doch auch mehr Support für ihr zurückliegendes Team erwartet. Nicht umsonst starteten die Schalker Rufe wie „Dortmund, wir hören nichts!“ oder „Heimspiel in Dortmund!“

Lustig: In ’nem Stadion, in dem der ekelhafte Hetzer Dickel sein Unwesen treibt, wird per Anzeigetafel gebeten, von Provokation abzusehen.

Mit diesem Tweet kam mir der TurnhallenPhil am Sonntag zuvor. Diese lächerlichen Einblendungen fand ich nämlich auch bemerkenswert. Auch weil sie erst nach dem 0:1 begannen und langanhaltend die Anzeigetafel füllten. Mein Gedanke war, dass die Dortmunder ungern das aktuelle Ergebnis anzeigen wollten und dies eine schöne Möglichkeit dafür war. Aber, das ist nur Spekulation.  Passt aber zum Genuschel des Spielstandes und der Schalker Torschützen durch den Stadionsprecher, die im Stadion nicht zu verstehen waren. Den Torschützen zum 2:0, Marco Höger, hatte man vom Block aus zum Beispiel nicht richtig erkennen können. Auch die „Durchsage“ half hier nicht weiter, so dass ich erst lange nach dem Tor über Handy erfuhr, wer denn da  getroffen hatte. Dass der feine Stadionsprecher auch anders kann, zeigte sich ja beim Anschlusstreffer der Schwarz-Gelben, der ausreichend laut durch die Stadionlautsprecher geblökt wurde.

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Bezüglich des Spielablaufes hatte ich übrigens zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass noch etwas schief gehen kann. Auch nachdem der Anschlusstreffer gefallen war. Lange habe ich keine Schalker Mannschaft gesehen, die von Spielgeschehen und Körpersprache eine Dortmunder Mannschaft so dominiert hat, wie an diesem Samstag. Die taktische Aufstellung war ebenso gut und unser Team hat innerhalb dieser Vorgaben schön verschoben. Diese Sicherheit transportierte sie auch auf die Tribüne und in die Schalker Herzen. Klar habe ich immer mit gefiebert und war angespannt, wenn Dortmund mal einen seiner spärlichen Angriffe ausgespielt hat, aber irgendwie war mir dennoch klar, dass da heute nichts mehr passieren wird. Und so ging es dann ja auch aus. Schalke hätte noch höher gewinnen können, ein 3:1 wäre den Kräfteverhältnissen auch angemessen gewesen. Auch hätte es aus meiner Stadionsicht in der ersten Halbzeit zwei gelbe Karten für Dortmund wegen taktischer Fouls geben müssen. Aber zufrieden bin ich trotzdem. Zufrieden und glücklich waren alle Schalker im Stadion. Und so wurde dann auch mit der Mannschaft gefeiert.

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Als wir dann mit dem Feiern fertig waren und sich die Mannschaft in die Katakomben aufmachte, machte ich mich dann auch auf aus dem Stadion. Die gelbe Wand war zu diesem Zeitpunkt schon noch nur noch eine graue Betonwand. Bis zum Stadionausgang konnte sich das Auge auch noch entspannen, da waren auch nur noch Blaue zu sehen. Vor dem Stadion aber wieder das gleiche Bild: Blau und Gelb gemischt. Mitunter stark alkoholisiert, die einen voller Freude über den Sieg, die anderen enttäuscht. Hier herrschte also eine ziemlich gespannte Atmosphäre. Zumindest in meinem Sichtbereich blieb es bei Verbalinjurien, Provokationen und kleineren Handgemengen. Dass es an anderen Stellen auch härter zu ging, kann man ja der Presse entnehmen. Wenn aber keine vernünftige Trennung der Fans zu gewährleisten ist, braucht man sich besonders bei einem Spiel wie dem Revierderby nicht über Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Fangruppen wundern. Konspirative Anreisen oder Sicherheitskonzepte sind großartige Floskeln, die man in den Raum werfen kann. Am Spieltag zeigt sich dann auch, dass es nur Floskeln sind und von Konzept gar keine Rede sein kann. Außer man betrachtet  „alle Fans vermischen und 1200 Polizisten als Puffer dazwischen stecken“ als Konzept.
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Die Rückfahrt verlief dann ähnlich ereignisarm wie die Hinfahrt. Wir haben gesungen und getrunken. Wieder keine Bus-Attacke oder ähnliches. Da ist man ja schon fast enttäuscht. Keineswegs enttäuschend war der Auftritt der Schalker. Manchmal ist Dortmund schon eine Reise wert.

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4 Kommentare zu “Ist Dortmund eine Reise wert?”

  1. Christianam 22. Oktober 2012 um 08:07 1

    Gerade für mich als Dortmund-Fan sehr interessant zu lesen, wie man so ein Auswärtsspiel bei uns empfindet.
    Gerade diese Tatsache, dass direkt vor dem Stadion die Fans “gemischt” unterwegs sind, hielt ich immer für fast selbstverständlich in jedem Stadion. Ist anscheinend nicht so. Ich muss aber auch gestehen, dass ich – auch bei Derbys – noch nie etwas größeres Negatives mitbekommen habe. Liegt aber vielleicht auch daran, dass i.d.R. die Südtribünen-Zuschauer in diesen Regionen vor dem Stadion fast nie sind und/oder schon ab 12 und spätestens um 13 Uhr im Stadion sind.
    Aer du hast schon recht: Das darf in einem Derby, bei dem man vorher mit vielen Randalen gerechnet hat, eigentlich nicht sein!

    Bzgl. der Stimmung war sie am Samstag von uns vor allem enttäuschend, weil ein Vorsänger der Ultras mit einigen seiner Kollegen die Südtribüne verließ, um das BVB-Banner zurückzuholen, was ihr “präsentiert” habt. Dadurch wurde es schnell mal leise!

  2. Derbysieger | unter Flutlicht…am 22. Oktober 2012 um 09:25 2

    […] Meinungen zum Derby: Königsblog: Spass inne Backen: Derbysieg! Schalkefan.de: Ist Dortmund eine Reise wert? Dumbdog: Derby mal wieder anders Schwatzgelb: Der Tag, an dem Felipe Santana ein Kopfballduell […]

  3. RWDJojoam 22. Oktober 2012 um 10:15 3

    Danke für diese Sichtweise. Ich habe das Spiel ähnlich erlebt. Lediglich die An- und Abreise (Sonderzug) war anders. Ich persönlich fand, das es randaletechnisch das „langweiligste“ Derby war, das ich in der verbotenen Stadt erleben durfte.
    Das „Sicherheitskonzept“ finde ich immer wieder überragend. Ein Großteil der Schalker reist per Sonderzug an. In Gelsenkirchen darf man eine Dreiviertelstunde in der Bahnhofshalle warten, bis man auf die Gleise darf. Denn das Glasverbot (der beste Punkt im Sicherheitskonzept) gilt bereits in den Sonderzügen und muss daher vorm Betreten der Bahnsteige umgesetzt und kontrolliert werden. Also legt man kurzerhand den Gelsenkirchener Hauptbahnhof lahm, weil gefühlte 5 Beamte die Körperkontrollen durchführen, während weitere 20 Beamte sich das Spektakel angucken. Zügig ist anders. Ich glaube, die Lage hätte schon hier eskalieren können, wenn die Fans nicht so besonnen geblieben wären. Die Fahrt selber (ich saß im 2. Sonderzug, glaub ich) war schnell vollbracht. Mit Ankunft am Stadionhalt, begann in den letzten Jahren immer der „lustigste“ Teil der Anreise. Erstmal warten, bis genügend Schalker da sind und dann wird die Schalker Herde an der Südtribüne entlang geführt. Rechts die Parkplätze und links die Südtribüne. Hier zahlt sich das Glasverbot aus. Vor zwei Jahren wurden bei diesem Marsch hunderte Schalker von Flaschen am Kopf getroffen. Diesmal blieb es ruhig. Dennoch halte ich den Marsch für völligen Quatsch. Denn durch das gegenseitige Provozieren kann die Stimmung schnell kippen. Das Beste ist, dass man nach 20 Minuten Provokation plötzlich auf dem Stadionvorplatz ist, die Polizei sich zurückzieht und sich blaue und gelbe Fans schön durchmischen. Ich kann es nachvollziehen, dass der ein oder andere dann so aufgeputscht ist, dass er dann dem ersten gegnerischen Fan direkt eins auf die Fresse gibt. Glücklicherweise ist alles relativ ruhig geblieben. Aber auch hier hätte ein kleiner Funken gereicht…

  4. […] Bene fragt sich in einem Gastbeitrag bei Schalkefan, ob Dortmund eine Reise wert ist. Der Königsblogger atmet durch. Blogundweiss ärgert sich, dass die Dortmunder am Schalker Sieg Schuld seien. Web0.4 wurde die Freude am Schalker Sieg genommen. […]

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