Mit Schalke in Nürnberg (Reisebericht und 79 Bilder)

17. Mrz. 2013 | 8 Kommentare

Freundschafts-Choreo Nürnberg

Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Wenn ich zum Fußball gehe, dann will ich Eindrücke sammeln, Spaß haben, mit meinem Team mitfiebern, es nach Kräften unterstützen, mich mit anderen Fans über Fußball unterhalten und eine gute Zeit haben. Worauf ich verzichten kann sind Einlasskontrollen, bei denen man wie ein Verbrecher behandelt wird, Aggressivität abseits des Platzes und Spießrutenläufe auf dem Weg zum Stadion und zurück. Leider entspricht die Realität bei vielen Auswärtsfahrten nicht meinem Wunschbild. Mit einer großen Ausnahme: mit Schalke in Nürnberg. Irgendwann haben ein paar Fans gesagt, dass man von nun an miteinander befreundet sein will. Daraus entstand eine Fanfreundschaft, die mittlerweile seit drei Jahrzehnten gepflegt wird. Eine schöne Sache im Fußballsport. So schön, dass es mich immer geärgert hat, dass Nürnberg nicht zu meinen typischen Auswärtszielen im Spieljahr gehört. Auf ein ganzes Spiel im Frankenstadion brachte ich es vor dem Wochenende. Eine Tagestour, eingequetscht im Kleinwagen und deshalb in erster Linie stressig. In diesem Jahr gab es das komplette Kontrastprogramm. Drei Tage Nürnberg, von Freitag bis Sonntag

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, zwei Übernachtungen und der Transfer im Komfort-Reisebus. Wie gesagt: Ich bin mittlerweile nicht mehr der Jüngste.

Los ging es am Freitag um 8.00 Uhr. Zum ersten Mal hatte sich unser Fanclub Monasteria dazu durchgerungen, ein Ligaspiel mit einer mehrtägigen Fahrt zu besuchen. Anlässlich des 20jährigen Jubiläums in diesem Jahr verabschiedeten wir uns von der Idee eine Tagesfahrt und planten die ganz große Nummer. Dabei kam uns zugute, dass wir mit der Firma LippeBus Hamm einen Partner hatten, der bereits unsere Reise zum letzten Schalker Pokalsieg in Berlin grandios durchgezogen hatte. Das hört sich jetzt wie Werbung an und das soll es auch sein. Denn mein Freund (und Trauzeuge) Martin, der bei LippeBus arbeitet, hatte damals wie heute sämtliche Register gezogen, um uns nicht nur einen Top-Reisebus mit einem Spitzenfahrer, sondern auch ein Vier-Sterne-Hotel zu einem wirklich annehmbaren Preis zu vermitteln. Innerhalb von wenigen Tagen war das für Fanclub-Mitglieder geschnürte Reisepaket komplett ausverkauft. Bei den ersten vagen Planungen hatte sich unser Fanclub-Präsi Reiner noch darum gesorgt, dass die Tour von den Mitgliedern nicht angenommen und somit zu einem finanziellen Fiasko wird. „Wir müssen irgendwie versuchen, 30 Leute zusammen zu bekommen“, hatten wir im vergangenen Sommer als Ziel ausgegeben. Am Freitag rollte der Bus mit 51 verkauften Plätzen los.

Nach gut sieben Stunden Reisezeit erreichten wir am Freitagnachmittag unser Hotel in Stadionnähe. Für den Abend war ein gemeinsamer Besuch einer Altstadt-Lokalität anberaumt. In der „Hütt’n“, einem Brauhaus mit bürgerlicher Küche, hatten wir einen Saal angemietet und schlossen Bekanntschaft mit der fränkischen Landbier- und Wirtshaustradition, inklusive Akkordeonspieler, dem wir kurzerhand ein paar Schalker Lieder beibringen konnten.

Nach dem gemeinsamen Abendessen teilte sich die große Gruppe in viele kleine Grüppchen auf. Bei einem Fanclub, der Mitglieder im Alter von 16 bis 60 Jahren vereint, wäre es kontraproduktiv gemeinsam herumzuziehen. Mir war von vielen Schalkern und Nürnbergern im Vorfeld der Tour das „Landbierparadies“ in der Wodanstraße empfohlen worden. Da dieses Wirtshaus sich ohnehin auf halben Weg von der Innenstadt  zu unserem Hotel befand, zogen wir zu fünft los um die Lobeshymnen aus dem Internet einer Prüfung zu unterziehen.

Der erste Eindruck war dann eher ernüchternd. Eine Eckkneipe in einem eher unspektakulären Randviertel Nürnbergs. Von außen wirklich nichts Besonderes. Und auch im Inneren der nicht einmal sonderlich großen Kneipe deutete auf den ersten Blick nicht viel darauf hin, dass das nun ein toller Abend werden könnte: schlichte Einrichtung, schlichte Tische, alles auf das Notwenigste reduziert, keine Hintergrundmusik, stattdessen ein monotoner Klangteppich erzeugt von sich unterhaltenden Menschen. Wären mir da nicht die Lobeshymnen aus dem Internet im Ohr geklungen, hätten wir auf dem Absatz wieder kehrt gemacht. Doch wir gaben dem „Landbierparadies“ eine Chance. Eine gute Entscheidung!

Denn als wir uns hinter einen zufällig frei gewordenen Tisch geklemmt hatten, stellte sich rasch ein Gefühl der urigen Gemütlichkeit ein. Die nette Bedienung erklärte uns die Spielregeln: Flaschenbiere gäbe es demnach in Hülle und Fülle im Angebot, sie empfehle uns jedoch das Fassbier des Tages. Ein Halbliter-Tonkrug für 2,50 Euro. Einen Verdauungsschnaps könnten wir auch bestellen, allerdings sollten wir noch ein paar Minuten warten. Denn dann käme sie mit einer Selektion fränkischer Spirituosen vorbei und dann koste das Pinnchen nur 1,20 Euro. Ach ja, und ganz wichtig: Da sie ja nicht sehen könne, ob unsere Krüge schon leer seien, sollten wir die Trinkgefäße doch einfach auf die Seite legen, wenn wir sie geleert haben. Sie würde sich dann um Nachschub bemühen. So hielten wir es dann auch und knüpften in den Raucherpausen vor der Wirtshaustür erste Kontakte zur einheimischen Bevölkerung, unter anderem mit der Nürnberger Sektion des „Klubs langer Menschen e.V.“, die meinen Bruder Florian und mich dann auch gleich einluden, zu einem ihrer Klubabende zu kommen. Mit 1,90+ Meter erfüllten wir die Haupt-Aufnahmevoraussetzung. Anfänglich dachte ich noch an einen Scherz, doch dann kamen nach und nach ein paar lange Lulatsche und gesellten sich zu den anderen am Nachbartisch. Ein Mini-Werbeflyer des „KLM e.V.“ zerstreute dann auch meine letzten Zweifel. Diesen Klub gibt es wirklich. Witzig.

Hier die Bilder vom Freitag.

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Der Samstag stand ganz im Zeichen des Spieles. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir ja noch nicht wissen, dass der sportliche Teil der Tour ein Schlag ins Wasser wird. Also begaben wir uns nach dem Frühstück in die Innenstadt und nutzten die Zeit für rudimentäres Sightseeing. Ich bin da ehrlich: Wenn ich mit Schalke unterwegs bin, bin ich nicht der Mustertourist, der Sehenswürdigkeiten abklappert. Dennoch will man etwas mehr über die Gastgeberstadt erfahren, will mehr sehen als das Stadion und die Kneipen. Einige hundert Schalke-Fans, die nach und nach in die Stadt gespült wurden, taten es uns gleich. Vor dem Schalker Mannschaftshotel bot sich derweil das mittlerweile übliche Bild. Ein paar Dutzend Japaner lauerten am Teambus auf einen Schnappschuss mit Atsuto Uchida.

Danach fuhren wir zum Stadion. Wer schon einmal zwecks Fußball in Nürnberg war weiß, dass das Gelände rund um die Arena sehr weitläufig ist. Zwischen der Messe und ehemaligen NSDAP-Reichsparteitaggelände verteilen sich die Fans. Richtig Stimmung kommt da nicht auf. Im „Gärtla“, dem Biergarten am Stadion, ist allerdings mehr los. Da wir spät dran waren, fiel der Abstecher in den Biergarten jedoch aus. Stattdessen ging es zügig ins Stadion.

Zügig ist das Stichwort. Oder besser gesagt: zugig. Denn während uns die warme Frühlingssonne den ganzen Tag über in der Nase gekitzelt hatte, war es im Gästeblock des Stadions rattenkalt. Nicht nur der Schatten war schuld daran, sondern vor allem ein pfeifender Wind. Wenn ich „rattenkalt“ schreibe, dann meine ich übrigens wirklich „rattenkalt“. Jeder Fan im Block stellte den Kragen auf, zog die Kapuze über oder wickelte sich den Schal um die Ohren um nicht völlig einzufrieren. Sehnsuchtsvoll schauten wir die gesamte Spielzeit zu den Nürnbergern auf der anderen Seite herüber, die nicht im kalten Schatten, sondern in der warmen Sonne stehen durften. Ich sehnte mich aber noch aus einem anderen Grund in einen anderen Block. Hinter mir hatte sich eine Frau älteren Semesters postiert, die sich unablässig in einem fürchterlichen Akzent (irgendetwas Undefinierbares zwischen siegerländisch und sächsisch) über einen Fahnenschwenker im unteren Bereich des Blocks erregte. Sobald der Knabe sich erdreistete, seine Fahne für ein paar Sekunden zu schwenken (und ja: dann war der Blick auf das Spielfeld tatsächlich eingeschränkt), quäkte mir die Furie von hinten ins Ohr: „Nüüü. Duuh die Fooohne rüüünter! Nüüü! Näää! Fooohne runtääär!“ Später, als das Spiel die unerfreuliche Richtung genommen hatte, war nicht mehr der Fahnenschwenker Ziel ihrer Dauernörgelei. „Der Droxlär, der ist scheißää! Nüü, nää! Und der Obösi, der ist ooch scheißää! Und der Puggi, der ist ooch scheißää!“ Kurzum: Un-er-fucking-träglich! Bitte, liebe Frau aus dem sächsischen Siegerland, kauf‘ dir beim nächsten Mal eine Sitzplatzkarte. Du hast alles Recht der Welt, deine Schalke-Leidenschaft auf deine abgefahrene Art und Weise auszuleben – da schreibe ich dir nichts vor. Aber auf einem Sitzplatz scheinst du mir deutlich besser aufgehoben zu sein. Da schwenkt keiner mit einer Fahne. Versprochen!

Nach dem Spiel warteten wir den ganz großen Schwung ab, verspeisten an einer Bude am Stadion noch eine „Fränkische“ und fuhren kurz in unser Hotel. Den restlichen Abend verbrachten wir zunächst wieder im „Landbierparadies“, wo wir ein paar nette Nürnberger Fans trafen, die uns an ihrem Tisch Platz nehmen ließen. Bei Bier, Stadtwurst, Kraut, Leberwurstbrot und Kartoffelsuppe legten wir nach und nach den Frust über das Spiel und die Brüllfurie ab. Hilft ja nix – warum sollte man sich von so etwas die Laune verderben lassen? Als das Landbierparadies schloss und wir immer noch nicht ins Bett wollten, zogen wir weiter in die Innenstadt und landeten in einem Irish Pub, in dem gerade St. Patricks Day gefeiert wurde. Auch nett. Als wir weit nach drei Uhr Nachts wieder im Hotel eintrafen, hatten wir uns den Schlaf redlich verdient.

Die Themen auf der Rückfahrt am Sonntag waren recht breit gefächert. Einige haderten immer noch mit dem Match und verfluchten Trainer und Spieler für die Selbstaufgabe nach dem 2:0. Andere berichteten von ihren Abenteuern und Erlebnisse der letzten beide Tage. Immer wieder wurde dabei die besondere Gastfreundschaft der Nürnberger Fans und Kneipiers hervorgehoben. Das frühlingshafte Wetter hatte am guten Gesamteindruck sicherlich auch einen Anteil, aber dennoch kann auch ich nur festhalten: Nürnberg war wirklich eine Reise wert. Man sieht sich auf jeden Fall wieder!

Hier die Bilder vom Samstag und Sonntag.

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Vielen Dank an Bene, von dem einige der hier gezeigten Bilder stammen.

Ein Text zum Spiel folgt.

Abgelegt unter Reisen bildet,Schalke

8 Kommentare zu “Mit Schalke in Nürnberg (Reisebericht und 79 Bilder)”

  1. BuenderSchalkeram 18. März 2013 um 00:42 1

    Schöner Reisebericht und ich kann nur bestätigen, die Glubberer sind wirklich immer eine Reise Wert! Und – ob Du es mir nun glaubst oder nicht – die nervige Sächsin kenn‘ ich glaube ich auch… ;o)

    Den Spielbericht, nimm es mir bitte nicht übel, erspar uns lieber… ;o)

    BWG
    BuenderSchalker

  2. Trainer Baadeam 18. März 2013 um 02:00 2

    Wahnsinnige Mühe, vielen Dank, gerne gelesen und angeschaut.

  3. derwahrebaresiam 18. März 2013 um 06:43 3

    sehr schön.
    schade, dass wir uns nicht getroffen haben.

    die sehenswürdigkeiten in der nürnberger city sind schon beeindruckend.

    ich habe mir zusätzlich die hinterlassenschaften aus der nazizeit angesehen.
    kennt man ja sonst nur aus den geschichtsbüchern o. aus doku´s von herrn guido knopp.

  4. eakus1904am 18. März 2013 um 09:32 4

    Klasse Bericht,vielen Dank dafür. Ich persönlich lese solche Erlebnisberichte wesentlich lieber, als die eigentlichen Spielberichte. (Das soll jetzt natürlich nicht heissen, dass diese nicht auch gut sind!) Nein, ich mag einfach die beschriebenen Eindrücke rund um ein Spiel,denn daraus zeigt sich halt, dass es eben nicht nur um die 90 Minuten Fußball geht!

  5. […] Phil (Turnhallengeruch) sieht ein Schalker Sturmproblem. Schalkefan Matthias in der Weide sah eine “Königsblaue Kapitulation” und berichtet ausführlich mit vielen Bildern von einer Fahrt mit dem Fanclub nach Nürnberg. […]

  6. Niklas Hüttneram 18. März 2013 um 20:26 6

    Das Problem mit nervigen Fans die hinter einem stehen kenne ich nur zu gut. Als ich diese Saison zum ersten mal in der Nordkurve stand – zusammen mit Markus (Auch bekannt als @Msorghum bei Twitter) im Block N4 – hatte ich einen ca. 12 Jährigen Kollegen hinter mir, der sich anscheinend mitten im Stimmbruch befand und dazu noch einen unglaublich starken Atem besaß. Mit dieser Mischung röchelte er mir über 90 Minuten immer in Ohren und Nacken hinein. Das Ergebnis war ein extrem feuchter und warmer Nacken und großer Nervenverlust!

    Aber ansonsten: Schöner Artikel und Nürnberg ist immer eine Reise wert!

  7. Carlitoam 18. März 2013 um 20:47 7

    Sehr schöner Bericht! Ich vermute mal, dass man an so einer Tour nur als Club-Mitglied teilnehmen darf, oder?

  8. Hapeam 30. März 2013 um 22:51 8

    Echt toller Bericht und schöne Bilder!
    Weiter so!

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