Der ewige zweite Mann

10. Nov. 2010 | 6 Kommentare

... mit Bildern von Spielern und Texten

Im Rahmen einer kleinen Serie veröffentliche ich Auszüge aus einer rund 36 Jahre alten Kladde einer damals jugendlichen Anhängerin und nehme dies zum Anlass, selbst ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Jeder Leser dieser Seite ist eingeladen, es mir gleichzutun.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich Norbert Nigbur jemals live habe spielen sehen. Als er 1983 die Karriere nach 494 Bundes- und Zweitligaspielen (davon 393 für den FC Schalke 04) beendete, war ich knapp neun Jahre alt. Ich möchte also keine großen Wetten darauf annehmen.

Norbert Nigbur ist einer aus einer ganzen Reihe großartiger Torhüter, die der FC Schalke hervorgebracht hat. Er galt während seiner aktiven Zeit bei vielen sogar als bester Keeper der Republik, hatte jedoch das Pech, dass Bayern-Schlussmann Sepp Maier auch kein ganz schlechter war. Mit Sepp Maier im Tor war Deutschland 1974 Weltmeister geworden. Norbert Nigbur saß beim Finale in München auf der Bank und ahnte vielleicht schon, dass die Ersatzbank der Nationalmannschaft auch in den kommenden sechs Jahren sein Stammplatz werden sollte. Erst 1980 schien Nigburs große Zeit gekommen zu sein: Nach dem Rücktritt Maiers sollte er als Stammtorhüter zur Europameisterschaft nach Italien reisen, verletzte sich allerdings vor dem Turnier und musste zusehen, wie ein anderer Torhüter sich anschickte, eine Keeper-Ära zu begründen: Harald „Toni“ Schumacher. Am Ende waren es nur sechs A-Länderspiele, die Norbert Nigbur vorweisen konnte.

Ein paar Jahre später erging es einem anderen Schalker Torhüter ganz ähnlich. Jens Lehmann, den ich bis zuletzt als „einen von uns“ gesehen habe, war während seiner gesamten Laufbahn immer mindestens genau so gut wie sein Kontrahent Kahn. Manchmal sind es aber Nuancen, die entscheiden, wer zwischen den Pfosten stehen darf. Für Oliver Kahn sprach die größere internationale Erfahrung aus den Vereinsspielen. In Sachen Strafraumbeherrschung und aktiver Teilnahme am Spiel konnte Kahn dem „Jenselmann“ jedoch nie das Wasser reichen. Den diversen Bundestrainern war dies aber egal. Wenigstens erhielt Lehmann zum Ende seiner Karriere noch einmal die Möglichkeit, eine Weltmeisterschaft und eine Europameisterschaft zu spielen.

Aktuell erleben wir den nächsten großen Zweikampf um das deutsche Tor. René Adler und Manuel Neuer sind beide zweifelsohne mit besonderer Klasse gesegnet. Hätte sich Adler nicht in der vergangenen Saison verletzt, hätte er in Südafrika spielen dürfen. Doch Adlers Pech war Neuers Glück. Derzeit scheint es, als sei „der Manu“ die klare Nummer 1 im Tor der Nationalmannschaft, und wenn sich Geschichte wiederholt, wird er es auch bis zum Ende seiner Karriere bleiben. Das bittere Los des zweiten Mannes fiele dann auf René Adler.

Der erste Schalker Torhüter, von dem übrigens ich ganz sicher weiß, dass ich ihn live im Stadion habe spielen sehen, war Norbert Nigburs Nachfolger Walter Junghans. Über Junghans gäbe es auch so manche Geschichte zu erzählen. Aber das muss zu einer anderen Zeit geschehen.

Abgelegt unter Fundsachen,Schalke

6 Kommentare zu “Der ewige zweite Mann”

  1. mberghoeferam 10. November 2010 um 20:43 1

    „Erregung: Olympisches Dorf“ – großartig!
    Das erklärt es vielleicht NNs unermüdliche Versuche, seine Abroll-Orgien zu perfektionieren 😉

  2. Matthiasam 10. November 2010 um 22:02 2

    Die Kategorie „Erregung“ wird noch häufiger auftauchen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was sie genau bedeutet. Vielleicht werden wir es gemeinsam ergründen können.
    Übrigens gibt es hier ein recht ausführliches Interview mit Norbert Nigbur aus dem Jahr 2007.

  3. hellwacham 11. November 2010 um 00:19 3

    Matthias, ein wunderbares Kleinod, was du da aufgetan hast, ich liebe es schon jetzt und freue mich auf die weiteren Auszüge. In der ersten Folge hab ich bei „… das einzigste, wo die Spieler mit einer Rolltreppe von Kabinen ins Stadion ..“ schon sehr vergnügt geschmunzelt. „Der ewige zweite Mann“ trifft dann aber bei mir vollends in die königsblaue Seele.

    „Er galt während seiner aktiven Zeit bei vielen sogar als bester Keeper der Republik..“

    Nein, das WAR er. Und ein Idol meiner Jugend. Immer fest verbunden mit dem Grund meiner Liebe zum S04. Rückhalt der –bei allem Respekt vor den Euro-Fightern- besten Schalker Mannschaft, die ich spielen sah.

    Und ja, Matthias, als es sich abzeichnete, dass Adler als Nr. 1 nach ZA fahren würde, empfand ich das als „deja vu“. Wie bei Lehmann, wie bei Nigbur. Der Schalker hatte halt nie eine Lobby beim DFB bzw. dessen Trainern. Da waren uns die Bayern immer überlegen.

    Es kam zuletzt anders. Anders als Helmut Schön musste Joachim Löw auf den Schalker setzen. Gut für Manuel Neuer, der es verdient hat.

    Und Dank auch für den Hinweis auf das NN-Interview

  4. Beneam 11. November 2010 um 05:38 4

    Beeindruckend auch, dass er außer vor Verletzungen sonst vor nichts (-) Angst hat(te)… So muss dat!

  5. blue.luiam 11. November 2010 um 09:56 5

    Klasse diese Serie! Vielen Dank dafür!
    Ich war damals ein großer Fan von Nigbur (und Fischer und Abramczik und Rüßmann und Fichtel und ….). Schön, wenn man heute mal einen verklärten Blick zurückwerfen kann!

    Ich kann mich an ein Interview von Nigbur erinnern, indem es darum ging, ob ihn nicht auch das Ausland locken (und das große Geld) würde. Er sagte damals (sinngemäß), dass sein Leitspruch lautet „Bleibe in der Heimat und nähre dich redlich“.

    Was heute bei Manuel Neuer (und jedem anderen) unglaublich naiv klingen würde, war damals eine Aussage, auf die wir Schalker stolz waren …

  6. Carlitoam 12. November 2010 um 16:09 6

    @ mberghoefer: Auch der „Musikgeschmack“ ist einen Schmunzler wert, zumindest rückblickend betrachtet… 😉

    @ Matthias: Kann mich hellwach nur anschließen, eine wirkliche Perle scheinst Du da ausgegraben zu haben! Klasse, freu mich jetzt schon auf die Fortsetzungen!!! 🙂