Ausgerechnet Charisteas

14. Mrz. 2011 | 9 Kommentare

Ganz lange sah es am Samstag nicht danach aus, als könne Schalke gegen Frankfurt als eine besonders kuriose Partie in die Bundesliga-Geschichte eingehen. Doch nach einer über weite Teile sehr zähen ersten Halbzeit erlebten die Zuschauer in der Arena einen Spielverlauf, über den man sicherlich noch ein paar Mal reden wird. Ungefähr so: „Kannst du dich noch an das Spiel erinnern, in dem drei Tore fielen und es für keines dieser Tore eine rationale Erklärung gab?“ Andersherum gesehen war das, was da auf dem Rasen passierte, vielleicht auch nur das perfekte Abbild von dem, was rund um das Berger Feld gerade geschieht. Direkt gefragt: Warum sollte ausgerechnet das Fußballspiel auf Schalke derzeit normalen Gesetzen gehorchen?

Frankfurt spielte so, wie man es erwartete: abwartend. Wer als schlechtestes Team der Rückrunde in die Arena kommt, setzt automatisch darauf, dass Schalke sich nach dem großen Europapokalabend gegen Valencia in der Liga wieder selbst ein Bein stellt. Der Gedankengang von Eintracht-Trainer Skibbe war statthaft, die Umsetzung mangelhaft. Denn durch Frankfurts extrem passives Spiel konnte sich Schalke seinerseits ganz gemächlich in die Begegnung hineinarbeiten. Nach etwa einer halben Stunde hatte S04 die Anfangslethargie abgelegt und begann, zielstrebiger auf das Gäste-Tor zu spielen. Eine Flanke von Uchida, Fährmann klatscht den Ball nach vorne ab, Jurado hat die Chance ins Tor einzuschieben, wird jedoch von mehreren Frankfurter Abwehrspielern erfolgreich bedrängt – die erste Großchance ging auf das Konto der Knappen.

Als bereits jeder mit einem torlosen Remis zur Halbzeit rechnete, sorgte Raúl mit einem Lausbubenstreich für das Highlight des Tages. Nach einer von SGE-Keeper Fährmann abgefangenen Flanke versteckt er sich im Rücken des Schlussmanns, lässt den ebenfalls lauernden Jurado seelenruhig und schuldbewusst am Keeper vorbeitraben, Fährmann wiegt sich angesichts des davontrollenden Spaniers in Sicherheit und legt den Ball ab, um mit dem Fuß weiterzuspielen. Nur Sekundenbruchteile später taucht Raúl (für Fährmann) aus dem Nichts auf, stibitzt den Ball und wird vom überrumpelten Keeper zu Fall gebracht – Elfmeter! Es ist ja nicht so, dass Raúl diesen Trick nicht schon häufiger versucht hätte, doch bislang waren alle Keeper auf der Hut. Dass ausgerechnet der Schalker Junge Ralf Fährmann nun das Opfer dieser fußballerischen „Unverschämtheit“ wurde, tut mir fast schon leid. Am Samstag konnte ich jedoch gut damit leben, auch weil Jurado den Strafstoß riskant aber sicher verwandelte.

Mit dem 1:0 im Rücken spielte Schalke in der zweiten Halbzeit befreit weiter und zeigte zum Teil traumhafte Kombinationen. Die Frankfurter Hintermannschaft löste sich zeitweise in ihre Einzelteile auf. Allein Fährmann, der u.a. in 1:1-Situationen gegen Farfán, Gavranovic und Uchida klärte, hielt sein Team im Spiel. Dennoch war das 2:0 nur noch eine Frage der Zeit.

Ausgerechnet in dieser Phase des Spiels fiel das zweite Tor, das man nicht logisch erklären kann. Frankfurts Grieche Tzavellas haut den Ball tief in der eigenen Hälfte stehend verzweifelt nach vorne, hofft, dass der eingewechselte Gekas irgendetwas Verwertbares aus dieser Vorlage machen kann. Der Ball tropft auf, Gekas verpasst, Neuer ist zu sehr auf den verhinderten Torjäger fixiert und muss zusehen, wie die Kugel an ihm vorbei ins Tor hoppelt. Nach 70 Minuten war die Partie, die eigentlich längst entschieden hätte sein müssen, wieder offen.

Nach dem Ausgleich wirkt Schalke wie paralysiert. Plötzlich machen die Gäste das Spiel und kommen innerhalb von wenigen Minuten zu mehreren Möglichkeiten, das Ergebnis komplett zu drehen. Schalke drohte selbst den einen Punkt noch aus den Händen zu verlieren. Als dann in der 85. Minute Angelos Charisteas für den engagierten, quirligen aber komplett glücklosen Gavranovic eingewechselt wurde, gab es wohl keinen mehr in der Arena, der noch ein paar Cent auf einen glücklichen Ausgang gesetzt hätte. Doch nur Sekunden nach der allerersten Einwechslung des griechischen Stand-by-Stürmers drischt Manuel Neuer den Ball bei einer Rettungstat nach vorne, die aufgerückte Frankfurter Innenverteidigung pennt, Charisteas taucht plötzlich frei vor dem herausstürzenden Fährmann auf und bugsiert den Ball mit seinem ersten Ballkontakt im Schalker Dress ins Tor. Ausgerechnet Charisteas! Was für eine Geschichte!

Normalerweise würde man jetzt Loblieder auf Felix Magaths genialen Streich singen. Normalerweise müsste man jetzt Abbitte beim Trainager leisten, dessen Begründung für die Verpflichtung von Charisteas („Ich habe ihn geholt, weil er uns genau dann helfen kann, wenn spielerisch nichts mehr läuft.“) sich wie eine Prophezeiung erfüllt hat. Doch in diesen Tagen ist auf Schalke gar nichts normal.

Mehr zum Spiel, das Schalke drei unglaublich wichtige Punkte im Abstiegskampf bescherte, schreibt der „kicker“. Der Rest der medialen S04-Berichterstattung dreht sich um das von Clemens Tönnies angestrebte „Männergespräch“, dessen Ergebnisse erst am Mittwoch das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollen.

Wollen wir wetten, dass es nicht bis Mittwoch dauern wird?

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9 Kommentare zu “Ausgerechnet Charisteas”

  1. heinz03am 14. März 2011 um 11:00 1

    das wir spiele gewinnen, gegen bayern , gegen valencia, gegen
    frankfurt, wen interessiert das auf schalke?
    ist das aber nicht der sinn im sport?
    was genau wird herrn magath denn von rojek beim
    schauprozess am mittwoch vorgeworfen?

  2. Dirkam 14. März 2011 um 11:21 2

    …man hört ja immer nur den Begriff „soziale Inkompetenz“, also in meinen Augen nichts anderes als persönliche Befindlichkeiten. Traurig, wenn das wirklich das Einzige ist, was man FM vorwirft.
    In verschiedenen Foren war zu hören, daß Ultras am Samstag gewaltsam gegen die eigenen Fans vorgegangen sind. Ist das wahr ?????

  3. charakterstärkeam 14. März 2011 um 12:32 3

    aktuell auf sport 1.de:

    offensichtlch hat fm gegen interen statuten bzw. die satzung verstossen. freunde das ändert meine einschätzung der situation grundlegend. so etwas geht natürlich überhaupt nicht – insbesondere wenn seine anträge auf „machterweiterung“ abgelehnt wurden.

    natürlich nur wenn etwas dran ist.

    egal wie gut fm ist – aber gegen auflagen und statuten verstossen???? sorry.

    http://www.sport1.de/de/fussball/fussball_bundesliga/newspage_364897.html

  4. Marcel04am 14. März 2011 um 13:30 4

    Ich weiß ja nicht, dieser Artikel ist wieder mit sehr vielen „hätte, könnte, möglicherweise etc“ geschrieben, das ist doch keine seriöse Berichterstattung, da wird nur viel spekuliert.
    Sport1 hat m. M. Bildniveau erreicht, von daher warte ich auf „offizielle“ News.

  5. Matthiasam 14. März 2011 um 13:37 5

    Generell habe ich den Eindruck, dass der Boulevard (und zu dem muss man in sportlichen Angelegenheiten sport1.de auch zählen) derzeit fast ausschließlich voneinander abschreibt. Blatt A stellt eine Behauptunng in den Raum, Blatt B übernimmt sie mit Quellenangabe, Blatt C schreibt von B ohne Quellenangabe ab, Blatt A greift einen Tag später auf C zurück und sieht dies als Beweis der eigenen These.

    Dass auch die üblichen Link- und Adwordsfarmen unter den „Internet Sportseitenanbietern“ (namentlich nenne ich mal den „fusballtransfers“, es gibt aber auch einige andere) beinahe stündlich neue „heiße“ Meldungen streuen, liegt eher im SEO denn im Nachrichtengehalt begründet.

  6. leeniam 14. März 2011 um 20:24 6

    Das der Trainager gegen die Statuten verstoßen haben soll, ist nur ein Versuch, (finanziell) billig aus der Sache rauszukommen. Es passt zum ganzen Gebahren der Vereinsführung.

    Ãœbrigens wissen wir jetzt endlich auch, was Herr Tönnies unter einem „Gespräch unter Männern“ versteht: Ein Treffen mit juristischem Beistand in einer Anwaltskanzlei.

    Es ist so unglaublich dilletantisch, dass es einfach nur noch weh tut.

  7. KönigsblauMSam 14. März 2011 um 22:33 7

    FM konnte sich Ort und location selber aussuchen …

    Hat FM sich selber so sehr überschätzt, dass er in seiner Allmacht „orietierungslos“ wurde? Bleibt abzuwarten, ob die ganze Wahrheit auf den Tisch kommt oder ob im „gegenseitigen Interesse“ eine einvernehmliche Scheidungs-Lösung gefunden wird. Und nach vorne geschaut: Hoffentlich will er noch mal ran – Ralf Rangnick auf Schalke!

  8. leeniam 14. März 2011 um 23:02 8

    Hab ich auch gerade gelesen. Aber mal ehrlich, es ging nicht um ein klärendes „Gespräch unter Männern“ oder glaubt das irgend jemand?

    Fakt ist doch, dass die Vereinsführung bewusst Magath ausgesucht hat und ihn bewusst mit einer Macht ohnegleichen ausgerüstet hat.

    Klar kann man Entscheidungen auch rückgängig machen, wenn das besser ist. Aber die Art hat einfach alle und alles, was mit Schalke 04 zu tun hat, beschädigt.

    Ach so. Und natürlich gilt: Der König ist tot! Es lebe der König!

  9. leonam 15. März 2011 um 00:46 9

    >Aber die Art hat einfach alle und alles, was mit Schalke 04 zu tun hat, beschädigt.<

    !