Chapeau, Monsieur Tönnies

20. Mrz. 2009 | 8 Kommentare

Die Aktion, sich gestern unheimlich heimlich mit Oliver Kahn zu treffen, war wirklich ein genialer Schachzug. Und dafür darf man den Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies gerne auch mal loben. Er erhält schließlich nicht alle Tage Zuspruch für seine Arbeit bei den Königsblauen. Zum ersten Mal seit Wochen ist Schalke raus aus den negativen Schlagzeilen. Stattdessen kommt so etwas wie Aufbruchstimmung auf – bei den Medien und sogar bei den Fans. Letzteres manifestiert sich in den diversen Schalke-Foren im Internet, wo endlich wieder konstruktiv diskutiert und gestritten wird, statt die üblichen „Den X würde ich nach Y schicken und den Z sowieso“-Phrasen zu dreschen. Dass dafür eine gesponsorte Übernachtung im Tönnies-eigenen Hotel, zwei Steaks aus der Tönnies-eigenen Großschlachterei, ein paar Pötte Kaffee und zweimal 50 Cent für den guten Putzgeist auf der Toilette ausreichten zeigt, dass gute PR-Aktionen nicht immer teuer sein müssen.

Die BILD-Zeitung ist derweil ganz freudetrunken ob ihres genialen Schachzuges, im Alleingang einen neuen Manager für Schalke gescoutet zu haben:

Kahn trägt einen schwarzen Aktenkoffer. Inhalt: Sein 30-seitiges Konzept, das den mächtigen Schalke-Boss überzeugt hat.

Wenn sich das nicht nach trockenen Tüchern anhört, was denn dann? Kahn wird Mananger auf Schalke! Das steht – für BILD – definitiv fest. Klappe zu, Affe tot.  Von dieser Überzeugung werden sich die Springer-Schreiber auch mindestens eine Woche lang nicht abbringen lassen, weil sie zuvor genügend Stoff zum schreiben haben. Allein schon der Newsticker von gestern birgt genügend Recherchematerial um mit exklusiven Nachberichten das Blatt zu füllen: Was dachte sich die Sonne, als sie um kurz nach 12 Uhr herauskam? Ist die Kaffeemaschine im Frühstücksraum mittlerweile repariert? Wie schafft es Oliver Kahn, in nur 90 Sekunden seine Blase zu entleeren, sich die Hände zu waschen und wieder zurück in den Verhandlungsraum zu eilen? Oder hat er gar… Undenkbar!

Die in den letzten Wochen erstaunlich gut informierte NRZ (u.a. meldete sie bereits einen Tag vor allen anderen Zeitungen die Entlassung von Andreas Müller) hat indessen einen Informanten im Schalker Aufsichtsrat angezapft und schreibt unter dem Titel „Kaum Chancen für Kahn“:

„Ich glaube deshalb nicht, dass er unser Mann wird”, sagte ein Aufsichtsratsmitglied, das nicht genannt werden möchte, der NRZ. „Kahn ist sicher eine starke Persönlichkeit und würde gewisse Voraussetzungen mitbringen, aber es wäre eben der erste Job für ihn. Wenn er – wie ein Stefan Kuntz zum Beispiel – schon irgendeinen Nachweis erbracht hätte, dass er für diese Arbeit geeignet ist – okay. Aber so dürfte es auf eine andere Lösung hinauslaufen.”

Liest sich doch schon wieder ganz anders, oder? Die NRZ – und ich schrieb bereits, dass sie in den letzten Wochen erstaunlich gut informiert war – wirft dann noch einen Namen in den Ring, der mir gerüchteweise bereits vor drei Wochen aus Gelsenkirchen zugetragen wurde: Armin Veh. Nicht als Manager, sondern als Trainer.

War das gestrige Treffen also nichts anderes als eine riesige Nebelkerze? Den Spekulationen sind jedenfalls Tür und Tor geöffnet. Aber endlich hat der FC Schalke 04 das Ruder wieder in der Hand und bestimmt die Schlagzahl. Tönnies hat mit Oliver Kahn eine Figur aus dem Ärmel gezaubert, an dem sich sowohl der Boulevard als auch die seriösen Zeitungen ein paar Tage lang reiben können. Schalke kann in der Zwischenzeit weiter nach einem geeigneten Manager suchen, oder es eben auch sein lassen und auf die Karte Kahn setzen. Ein Gesichtsverlust ist nur möglich, wenn Kahn von sich aus ein „Darum habe ich Schalke abgesagt“-Interview lanciert. Damit ist, zumindest in den kommenden ein bis zwei Wochen, nicht zu rechnen.

Zwei Wochen Verschnaufpause. Diese Zeit hätte sich Andreas Müller sicherlich auch gewünscht. Tönnies hat sie sich nun durch einen genialen Handstreich verschafft. Egal ob Kahn Manager auf Schalke wird, oder am Ende doch ein anderer den Posten ergattert: Chapeau, Monsieur Tönnes!

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8 Kommentare zu “Chapeau, Monsieur Tönnies”

  1. KönigsblauMSam 20. März 2009 um 15:09 1

    Clemens Tönnies, der Aufsichtsratvorsitzende als Machtmensch par excellence. Sein 1994 nach einer Nierentransplantation plötzlich verstorbene und damalige Vorsitzende Bruder Bernd Tönnies, würde die Tätigkeit seines älteren Bruders wohlwollend abnicken. Clemens Tönnies bestimmt klar die Richtlinien der Politik auf Schalke. Und er bewegt etwas, wenn es sein muss. Solche Menschen mit hoher Reputation in Wirtschaftskreisen braucht jeder Verein! Wir haben so einen.

    Schon der Gazprom-Clou über Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, hat einigen Topleuten auf der europäischen Wirtschaftsbühne die Sprache verschlagen. Und nun der Medien-Clou mit dem Ur-Bayern, der sich wirklich vorladen lässt und in die Höhle des Löwen traut. Kaum zu glauben! Das Kahn sich letztendlich im Ruhrgebiet niederlassen wird und dann ausgerechtet auf Schalke, ist für viele Fans und Mitglieder indes schwer vorstellbar. Ich habe noch gut das letzte Saisonspiel im Mai 2003 (S04-Bayern 1:0) in Erinnerung, als Kahn versuchte, in der modernsten europäischen Fußballarena mit einem Abschlag den Videowürfel zu treffen. Und verdammt – er traf ihn, der alte Sack. Nein, Kahn bleibt natürlich auf immer und ewig mit Leib und Seele ein Ur-Bayer. Alle anderen Aussagen von ihm werden wohl rein finanzieller Natur sein. Und trotzdem, Kahn als Manager auf Schalke? Diese Vorstellung hat auch wieder etwas leicht Sympathisches an sich.

    Die nächste Einladung zur Vorsprache für den Managerposten auf Schalke dürften „Uns Huub Steven“ bekommen, der sich eine Rückkehr zu den Knappen als Nachfolger von Andreas Müller vorstellen kann und, so hoffe ich, Heribert Bruchhagen.
    Tönnies wird es schon richten, so oder so. Glück auf Schalke! S04 – HSV 2:1

  2. die-ostwestfalenam 20. März 2009 um 20:47 2

    Egal wie die sportliche Entscheidung fällt, wenn man beim Manager von sportlicher Entscheidung sprechen kann, für Rheda-Wiedenbrück war es eine tolle PR-Aktion. So schnell kommt man mit der Doppelstadt prominent ins Fernsehen und den Blätterwald der Zeitungswelt. King Kahn im Königs hat uns schon inspiriert.

    http://www.die-ostwestfalen.de/sport/olli-kahn-bei-uns-in-rheda-wiedenbrueck-king-kahn-im-koenigs-hotel/

  3. Flo Liebam 20. März 2009 um 21:58 3

    Haha, 30-seitiges Konzept im Aktenkoffer. Die BILD-Zeitung ist so genial.

  4. Hans Pollackam 21. März 2009 um 10:30 4

    ich würd gern mal so ein Konzept sehen wollen. Was könnte in sowas drin stehen? Wir müssen öfter über links?

  5. tumulderam 21. März 2009 um 11:51 5

    ich würd gern mal so ein Konzept sehen wollen. Was könnte in sowas drin stehen?

    Kapitel 1: Schalke braucht Eier

  6. Julianam 22. März 2009 um 22:20 6

    Wunderbares name-dropping. Jetzt auch noch Armin Veh in die Runde zu werfen find ich ja schon fast sinnig. Er wäre ja frei derzeit. Und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr ergibt es Sinn. Von dem Veh halte ich einiges.

    Und selbst wenn es für Bananen-Olli der erste Managerposten wäre, ich fände es gut.

  7. Trainer Baadeam 18. März 2013 um 12:18 7

    Ach, sieh an. Veh war also vor vier Jahren schon einmal Thema als Trainer auf Schalke? Damals gar nicht mitbekommen.

  8. Matthiasam 18. März 2013 um 12:49 8

    Mmmh, ob er wirklich vor vier Jahren bereits ein Thema auf Schalke war? Ich weiß es nicht. Sein Name wurde in die Runde geworfen. Mehr nicht. Das passiert auf Schalke alle paar Tage. Geht man allein mal die Namen der aktuellen „Diskussionrunde“ durch, kommt man schon auf einen netten Haufen Fußballkompetenz, der „auf Schalke im Gespräch“ ist. Alsda hätten wir neben Veh noch Tuchel, die Matteo, Heynckes, Büskens und Benitez. Letzterer hat sich durch seine Unterschrift bei Chelsea jedoch selbst aus dem Rennen genommen. Ein anderer wird zeitnah dafür aufrücken. Und spätestens wenn Schaaf in Bremen hinschmeißt wird auch er Stammgast in den Diskussionen sein.

    In diesem Jahr erscheint mir die Spur zu Veh jedoch wirklich heiß zu sein.