Schalkes Offensivmaschine überrollt die Pfalz

19. Mrz. 2012 | 13 Kommentare

Mein Gefühl hätte schlechter nicht sein können. Ein durchnässter Platz, eine Sponsor-Fan-Mannschaft-„Gemeinsam für den FCK“-Aktion, Schalkes katastrophale Bilanz gegen die Lauterer in den letzten Jahren, die jüngsten Erfahrungen beim Auswärtsspiel in Freiburg, die Erinnerung an die letztjährige 5:0-Klatsche auf dem Betzenberg – das alles hatte bei mir für die sich immer mehr verfestigende Erwartungshaltung gesorgt, dass Schalke sich am Sonntagnachmittag nur blamieren kann. Als dann Rodnei einen zweifelhaft zustande gekommenen Tiffert-Freistoß nach 180 Sekunden über die Linie wuchtete, sah ich mich in meiner Skepsis bestätigt. Doch das, was nach dem frühen Führungstor der Gastgeber folgte, war einmal mehr eine Wiederauferstehungsfeier der Königsblauen. Am Ende siegte Schalke mit 4:1 und zeigte sich sogar gnädig. Denn drei bis vier Tore mehr wären gegen einen Gegner, den man nach und nach in seine Einzelteile zerlegt und in der Küchenmaschine püriert hatte, leicht möglich gewesen.

An ein frühes Gegentor hat man sich als Fan der Schalker in diesem Jahr längst gewöhnt. Auch dass die Mannschaft meistens immer eine ganze Halbzeit braucht, um auf Betriebstemperatur zu kommen, ist keine Erkenntnis, die sich in der Öffentlichkeit gut verbergen lässt. Gestern war die Anlaufzeit bedeutend kürzer. Direkt nach dem Rückstand krempelte Schalke die Ärmel hoch und zwang Kaiserslautern ein Spiel auf, das der Tabellenletzte auf Dauer nicht mitspielen konnte. Schnelle Kombinationen über die Flügel, direkte Pässe durch die Mitte, eine gute Mischung aus kurzen und langen Bällen – auch wenn Kaiserslautern es bis in die Schlussphase der ersten Halbzeit schaffte, durch großes läuferisches Engagement das eigene Tor sauber zu halten, sah man doch, wie das Bollwerk bröckelte. Schließlich nutze Holtby den Raum, der sich daraus ergab, dass ganz Lautern ein Abspiel in den Strafraum vereiteln wollte, zog aus knapp 18 Metern einfach mal ab und traf krachend in den Winkel.


Wer weiß, ob Kaiserslautern nach der Halbzeit die Ordnung und den zweikämpferischen Biss der ersten halben Stunde wiedergefunden hätte, wenn es bei dem Ausgleich zur Pause geblieben wäre? Doch Schalke ließ es zur Beantwortung dieser Frage nicht mehr kommen. Eine Balleroberung von Fuchs im Mittelfeld, ein Spurt mit Ball bis zur Strafraumkante, das Abspiel auf Huntelaar und der lässt mit einem angetäuschten Schuss auch die letzten beiden Abwehrspieler ins Leere Springen um kurz darauf trocken ins kurze Eck zu verwandeln. Schalke hatte das Spiel gedreht und die Überlegenheit auf dem Feld noch vor dem Pausenpfiff auf der Anzeigetafel zementiert.

Danach war es ein großer Klassenunterschied. Gegen demoralisierte Kaiserslauterer, die nun auch von den Rängen des Betzenbergs keine Unterstützung mehr erhielten, spielte Schalke seine ganze Klasse und die geballte Offensivpower aus. Bei nahezu jedem Angriff der Blauen lag ein Tor in der Luft. Dass nur noch zwei Treffer fielen lag zum einen am Schiedsrichtergespann, das ein reguläres Tor nicht anerkannte, zum anderen an Lauterns Keeper Sippel. Und ein wenig schluderig ging man auch noch mit den Chancen um – das ist aber auch der einzige Kritikpunkt, den ich anbringen möchte.

Das 3:1 durch Raúl, der wie ein guter Lehrmeister seinem Schüler Holtby zeigte, dass man einen Ball auch aus dem Stand aus 20 Metern in den Knick dengeln kann und das 4:1 von Farfán, der nach einer Lauterer Ecke den Konter vorantrieb und den klugen Querpass von Holtby trocken über die Linie drückte, waren die Highlights des zweiten Durchgangs, der einer fußballerischen Demonstration glich. Schalke machte Spaß und – viel wichtiger – Schalke hatte Spaß. Die Jubeltraube nach Raúls Treffer und die Lobeshymnen von Lewis Holtby, der den Schalker Spaßfußball mit seinen Erlebnissen aus seiner begeisternden Mainzer Saison verglich, werden noch lange im Hinterstübchen haften bleiben.

Nach ein paar Wochen, in denen der Motor stockte und S04 erkennen musste, dass man gegen die Top-3 der Liga im direkten Vergleich nicht mithalten kann, sieht es nun auch in der Tabelle wieder extrem freundlich aus. Die 50-Punkte-Marke wurde geknackt, der Abstand auf Leverkusen und somit auf Platz 5 ist auf 10 Punkte angewachsen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Mannschaft in den kommenden fünf Tagen ohne Spiel nicht total verlottert.

Mehr zur Partie schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

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13 Kommentare zu “Schalkes Offensivmaschine überrollt die Pfalz”

  1. Diego_04am 19. März 2012 um 07:09 1

    Gute Taktik: Bald schon werden unsere Gegner so viel Angst haben, gegen uns das 1:0 zu schießen, dass sie gänzlich von Offensivaktionan absehen. Die Traube nach Raúls Tor war der Höhepunkt. Mitfreuen macht so viel Spaß.

  2. meinzuam 19. März 2012 um 08:24 2

    Holtby kam fast nicht mehr aus dem feiern. Schön anzusehen wie sich alle mit Raul freuten. Aber diese 1 Gegentortaktik macht mich fertig. Beim Gegentor sah es fast aus wie ein Geschenk an die Teufel, was stand der frei am langen Pfosten. Gegen Leverkusen wird es schwerer, denen geben wir zwei vor. Von wegen Heimvorteil. 🙂

  3. Benjaminam 19. März 2012 um 10:08 3

    Ohja, die Raul-Traube war so wunderschön! 🙂
    Hoffentlich haben die Jungs ihm ein „Bleib bittebittebitte noch!“ ins Ohr gflüstert!

  4. Betzebubam 19. März 2012 um 10:22 4

    Ich hatte das gleiche Gefühl wie Du, nur eben im positiven Sinne 🙂
    Aber S04 ist viel zu spielstark, das war mit das Beste diese Saison aufm Berg. Gratulation.
    Als gefühlter Absteiger Nr. 1 würde ich mir trotzdem wünschen Euch nächste Saison wieder begrüssen zu dürfen.
    8000 Schalker sind mir lieber als 180 Wolfsburger 2 Wochen zuvor.
    Gruss aus der Pfalz

  5. Uweam 19. März 2012 um 11:51 5

    @Betzebub: Mir ist KL auch lieber als Hertha oder HSV, schon allein aus egoistischen Gründen! 2,5 Stunde Anfahrtzeit statt 6 und mehr;-) Zudem hatten wir auch gestern wieder keinerlei Probleme mit den Lauternfans. Da fühle ich mich anderswo unwohler… Aber für euch wird´s schwer. Mal sehen, ob der Kurz-Rauswurf, den ich stündlich erwarte, noch Kräfte freisetzen kann.

  6. Peeram 19. März 2012 um 15:31 6

    Ein kleines Lob an dieser Stelle, das nicht der Mannschaft gilt (, die natürlich auch solches verdient): Ein durchweg starker Schreibstil, frei von großen Fehlern (- leider eine Seltenheit in der Blogwelt -) und voll erquicklicher Sprachschätze macht diese Seite für mich zum ersten Anlaufpunkt, wenn ich mich nach königsblauer Berieselung sehne! Immer weiter so! Glück auf!

  7. Matthiasam 19. März 2012 um 15:49 7

    Königsblaue Berieselung? KÖNIGSBLAUE BERIESELUNG??? Ich geb‘ dir gleich Königsblaue Berieselung!!! Wenn du Berieselung suchst, kauf‘ dir einen Gartensprenger. Hier gibt es nur knallharte Fakten zur geistigen und körperlichen Erbauung! Berieselung… Pah!

    Nee, ernsthaft: Danke für die lobenden Worte. So etwas tut auch mal gut und geht runter wie Currywurstsoße. Das bringt mich jetzt locker durch die spielfreie Woche.

  8. Johannesam 19. März 2012 um 16:17 8

    „in den Knick dengeln“ – sehr schön, muß ich mir merken.

  9. Der Hansam 19. März 2012 um 17:01 9

    Das bringt mich jetzt locker durch die spielfreie Woche.

    Nur gut, dass auch andere Vereine in anderen Ländern Fußball spielen. Ein frei empfangbarer Auszug aus der KW12:

    Montag, 19.3.:
    Cottbus – Düsseldorf, 20:15 Uhr Sport1
    Espanyol – Santander, 21:00 Uhr Laola1.tv

    Dienstag, 20.3.:
    Osasuna – Getafe, 20:00 Uhr Laola1.tv
    Fürth – Schwach-Gelb, 20:30 Uhr ZDF
    Barce – Granada, 21:00 Uhr Laola1.tv

    Mittwoch, 21.3.:
    Atletico – Bilbao, 20:00 Uhr Laola1.tv
    Gladbach – Tabellenzweiter, 20:30 Uhr ARD
    Villarreal – Real, 22:00 Uhr Laola1.tv

    Donnerstag, 22.3.:
    Real Betis – Espanyol, 20:00 Uhr Laola1.tv
    Malaga – Rayo Vallecano, 22:00 Uhr Laola1.tv

  10. Matthiasam 19. März 2012 um 17:11 10

    Hans, da hast du natürlich recht. Du weißt schon, wie’s gemeint war.

    Aber trotzdem sehr gut, dass du auf http://www.laola1.tv hinweist. Ich sehe dort sehr viele Spiele aus der spanischen Liga und finde den Dienst – legal, gratis und in ordentlicher Qualität – echt klasse! Wer’s noch nicht kennt, sollte es sich mal anschauen.

    Gestern sah ich dort übrigens, wie Bilbao sein Heimspiel gegen Valencia mit 0:3 verlor. Allerdings war Bilbao ab ca. der 60. Minute in Unterzahl – da stand es jedoch auch schon 0:2.

    Wo wir gerade bei TV-Tipps sind: Heute abend, 22.45 Uhr, im WDR-Fernsehen kommt wieder das vorzügliche Magazin „Sport Inside“. Diesmal mit einer Story über Hoffenheim. Thema wird sein: Was ist übrig geblieben vom Hoffenheimer Fußballwunder? Wie wurde aus dem von vielen Tradititionalisten meistgehassten Club Deutschlands in nur drei Jahren die graueste Maus der Liga?

  11. derwahrebaresiam 19. März 2012 um 18:32 11

    @Nur gut, dass auch andere Vereine in anderen LändernFußball spielen.

    Cottbus – Düsseldorf
    Fürth – Schwach-Gelb
    Gladbach – Tabellenzweiter

    das sehe ich auch so 😉

  12. Der Hansam 19. März 2012 um 19:05 12

    Natürlich, immerhin dreimal NRW gegen angeblich deutsches Ausland. 😉

    @Matthias: Danke auch für den „Sport Inside“-Tipp, klingt interessant.

    Für alle aus Herne und Umgebung, die morgen Nachmittag nichts vorhaben: unsere Zweite trägt um 16:00 Uhr in der Mondpalast-Arena das Nachholspiel gegen Idar-Oberstein aus.

  13. Carlito69am 19. März 2012 um 22:37 13

    Klasse Bericht, wie immer!

    Ja, mit am schönsten fand ich auch, am Spaß teilhaben zu dürfen, den die Jongens auf dem Platz zu haben schienen und versprühten.

    Und, was ich schon gestern über Twitter mitteilte (https://twitter.com/#!/Carlito1904/status/181416728356593665) beim Lewis geht mir echt das Herz auf, sowohl auf, als auch neben dem Platz. So herrlich erfrischend authentisch und nicht stromlinienförmig…